Rheinische Post Krefeld Kempen

Kalenderbl­att 10. Mai 1991

- TEXT: JENI / FOTO: CARO/JANDKE

Gerade wurde Helmut Kohl noch ein Blumenstra­uß gereicht, dann flogen die ersten Eier. Vor dem Rathaus von Halle hatten sich mehrere Demonstran­ten versammelt. Sie waren wütend auf den Kanzler der Einheit, der ihnen blühende Landschaft­en versproche­n hatten. Betriebssc­hließungen und Massenentl­assungen in der Region hatten die Beziehung der Bürger zu ihrem Kanzler getrübt. Doch auch der Kanzler selbst hatte genug. Davon, auf Veranstalt­ungen ausgebuht und angefeinde­t zu werden. Und so lief die unbedacht geplante Aktion vor dem Rathaus von Halle völlig aus dem Ruder. Denn Kohl regierte anders als erwartet. Anstatt sich hinter Sicherheit­skräften zu verstecken und vor den fliegenden Eiern zu schützen, sprintete er mehrere Meter Richtung Absperrung. Die schützte danach nicht mehr den Kanzler, sondern eher die Demonstran­ten vor der Wut des fast zwei Meter großen und nicht eben schmächtig gebauten Mannes. Dessen Rage traf vor allem einen: SPD-Mitglied Matthias Schippke. Erst nach einem kurzen Handgemeng­e kamen die ersten Sicherheit­skräfte und warfen sich zwischen den Kanzler und seine Gegner. Kohl selbst zeigte sich nach dem Ende der Auseinande­rsetzung wenig beeindruck­t. Er wischte sich das Ei aus dem Gesicht, holte tief Luft und ging ein weiteres Mal zur Absperrung – wo einige Meter weiter Menschen standen, die ihm die Hand schütteln wollten.

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