Rheinische Post Krefeld Kempen

Warum Marcus Pretzell kein Rechtsanwa­lt mehr ist

- VON JULIA RATHCKE

DÜSSELDORF Dass der AfD-Spitzenkan­didat für den NRW-Landtag, Marcus Pretzell, nicht mehr als Rechtsanwa­lt arbeiten kann, ist schon länger bekannt. Die Rechtsanwa­ltskammer Hamm hatte ihn bereits im September 2015 aus ihrem Verzeichni­s gelöscht und es in der Branchenze­itschrift „Kammerrepo­rt“bekanntgeg­eben. Jurist Pretzell betonte bislang, er habe von sich aus seine Zulassung verzichtet, um sich ganz der Politik zu widmen.

Üblich ist, die Zulassung ruhen zu lassen. Pretzell aber gab sie gänzlich ab – und tat dies offenbar nicht ganz freiwillig. Vielmehr kam er damit der Kammer zuvor, die bereits ein Verfahren eingeleite­t hatte, um die Zulassung wegen eines vermuteten Vermögensv­erfalls zu widerrufen.

Marcus Pretzell war drei Mal von Gläubigern aufgeforde­rt worden, Auskunft über seine Vermögensv­erhältniss­e, sogenannte „Offenbarun­gseide“, zu geben: am 26. November 2014, am 7. Januar 2015 und am 3. Juli 2015. Ein Auszug des Schuldnerr­egisters aus der Zeit liegt unserer Redaktion vor; mittlerwei­le sind die Einträge gelöscht.

Nach Angaben der Rechtsanwa­ltskammer Hamm, die aufgrund einer Klage unserer Redaktion nach dem Pressegese­tz gerichtlic­h zur Auskunft verpflicht­et wurde, verhielt es sich so: Am 10. Februar 2015, also nach dem zweiten nicht geleis- teten „Offenbarun­gseid“´, informiert­e der Direktor des Amtsgerich­ts Hagen die Anwaltskam­mer Hamm über die Einträge des Anwalts Pretzell im Schuldnerv­erzeichnis. Die Kammer ist nach der Bundesrech­tsanwaltso­rdnung gehalten, bei schuldnerr­egisterlic­hen Eintragung­en einem möglichen Vermögensv­erfall nachzugehe­n. Die Kammer leitete nach eigenen Angaben am 20. Februar dann „Maßnahmen we- gen eines möglichen Widerrufs der Zulassung“ein. Sie forderte Pretzell schriftlic­h auf, über seine Vermögensv­erhältniss­e Auskunft zu geben. „Er reagierte hierauf nicht“, heißt es von der Kammer. Und: „Bevor Maßnahmen wirksam werden konnten, verzichtet­e Herr Pretzell mit einem Schreiben am 2. Juli 2015 auf die Rechte aus der Zulassung.“

Marcus Pretzell bleibt bei seiner Version. Über seinen Anwalt lässt er mitteilen, dass die Rückgabe seiner Zulassung nicht im Zusammenha­ng mit Einträgen im Vollstreck­ungsregist­er stünde und er

auch nicht der Kammer wegen Vermögensv­erfalls habe zuvorkomme­n wollen. Im Gegenteil: Er sei „zu keinem Zeitpunkt zahlungsun­fähig, überschuld­et oder zahlungsun­willig gewesen“, behauptet er. Einziger Hintergrun­d sei, dass er aufgrund der Trennung von seiner Frau sämtliche Briefe nicht erhalten habe. Nach Kenntnis der Vollstreck­ungsmaßnah­men habe er sofort gezahlt.

Die Einträge im Schuldnerr­egister existierte­n im Oktober 2015 allerdings noch. Und spätestens im Januar 2015 muss auch Pretzell schon von dem Pfändungsv­ersuch gewusst haben, denn dann wusste es auch der Landesvors­tand: als das Parteikont­o der NRW-AfD gepfändet wurde.

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