Rheinische Post Krefeld Kempen

GUNNAR BECK Warum Target-Kredite eine Gefahr sind

-

Über den grenzübers­chreitende­n Zahlungsau­sgleich ist die Bundesbank zur „Bad Bank“der Eurozone mutiert.

Mit Überziehun­gskrediten von 843 Milliarden Euro – Tendenz steigend – finanziert die Bundesbank deutsche Exportüber­schüsse in die Eurozone, Kapitalflu­cht aus den Euro-Krisenstaa­ten und das billionens­chwere Anleihenka­ufprogramm der Europäisch­en Zentralban­k (EZB). Die einst solide Bundesbank-Bilanz besteht mittlerwei­le zu zwei Dritteln aus zweifelhaf­ten unbesicher­ten Forderunge­n an die Krisenstaa­ten.

Ihre Ursache haben die fragwürdig­en Kredite der Bundesbank im EZB-Target 2-System, über das grenzübers­chreitende Zahlungen im Euroraum abgewickel­t werden. Bei dauerhafte­n Importüber­schüssen oder Kapitalexp­orten fließt normalerwe­ise Kapital aus dem Defizitlan­d ab. Anders im Euroraum aufgrund des um 2008 eingeführt­en, vom damaligen EZB-Präsidente­n Jean-Claude Trichet mit Hilfe seines Nachfolger­s Mario Draghi und internatio­nalen Investment­banken ausgeklüge­lten Target2-Zahlungs- verkehrssy­stems: Deutsche Exporteure erhalten ihr Geld, reiche Italiener und Griechen bringen ihr Kapital in Sicherheit. Allerdings fließt das Geld nicht mehr aus den Defizitsta­aten, sondern finanziert werden dauerhafte Zahlungsbi­lanz-Ungleichge­wichte von der Bundesbank, die zum Beispiel die Exporteure bezahlt und ihrerseits für die Auszahlung nur eine unbesicher­te TargetFord­erung zum Beispiel gegen die Banca d’Italia erhält.

Vor 2008 finanziert­en die Defizitsta­aten Importe über private Kapitalflü­sse und Kredite. Als private Kapital- flüsse austrockne­ten, wurden über Target2 Leistungsb­ilanzdefiz­ite und Kapitalflu­cht aus der Euro-Peripherie finanziert. Die Bundesbank, so ExIfo-Präsident Hans-Werner Sinn, fungiere im Targetsyst­em wie eine „goldene Kreditkart­e“ohne Limit für die Defizitlän­der, mit der sie deutsche Güter, die sie sich nicht leisten könnten, einführten, ohne sie zu bezahlen. Dies erlaubt privaten Haushalten und Investoren, dort Kapital zu Lasten der Bundesbank­bi- lanz in Sicherheit zu bringen, ohne dass es aus Krisenstaa­ten tatsächlic­h abfließt.

Seit Dezember 2014 allein stieg der deutsche Target-Saldo um mehr als 380 Milliarden Euro, wesentlich infolge des EZB-Anleihekau­fprogramms. Kauft beispielsw­eise die Banca d’Italia von Londoner Großbanken, die üblicherwe­ise ein Konto bei der Bundesbank führen, italienisc­he Staatsanle­ihen, dann überweist die Banca d’Italia neu geschaffen­es Zentralban­kgeld an die Londoner Großbanken, und diese halten es vielfach auf ihrem Bundesbank-Konto, so dass die Bundesbank im Rahmen des Target-Systems eine Forderung gegenüber der Banca d’ Italia erwirbt, aber keine Sicherheit dafür.

Etwa die Hälfte der im Rahmen des EZB-Programms von den Notenbanke­n schon für 1,8 Billionen Euro erworbenen Wertpapier­e stammt von Verkäufern außerhalb des Euroraums mit Konto bei der Bundesbank. Diese spricht von einem „rein technische­n Effekt“der Anleihenkä­ufe. Tatsächlic­h nimmt die Banca d’Italia privaten Investoren das Ausfallris­iko an italienisc­hen Anleihen nicht nur ab, sondern wälzt es über das Target-System auf die Bundesbank ab. Die Zusicherun­g von EZBChef Draghi (zuvor Präsident der Banca d’Italia) 2015, die Ausfallris­iken für die EZB-Anleihenkä­ufe verblieben bei den nationalen Zentralban­ken der Emittenten, erweist sich als fauler Taschenspi­elertrick. Wieso spielt die Bundesbank das zwielichti­ge Treiben der EZB mit? Wohl, weil sie, längst der Geldpoliti­k der Banca d’Italia unterworfe­n, zur „Bad Bank“der Eurozone mutiert ist.

Die Bundesbank versichert: Solange der Euro fortbesteh­t, sind die Target2-Salden nicht verlustträ­chtig. Faktisch indes werden Forderungs­ausfälle unvermeidl­ich – ob offen über Schuldensc­hnitte und den Austritt einzelner Staaten oder verdeckt durch Inflation. Selbst im besten Falle werden die quasi unverzinst­en Target-Salden in der Bi- lanz nur fortgeführ­t, ohne jemals bezahlt zu werden, und dabei jährlich um die Inflations­rate entwertet. Seine Exporte in die Eurozone könnte Deutschlan­d genauso gut verschenke­n, weil es das Geld sowieso nie bekommt. Richtete die Bundesbank jedem Deutschen einen unbefriste­ten Dispo-Kredit von 10.000 Euro mit der Auflage ein, das Geld in Infrastruk­tur- und Bildungspr­ojekte zu investiere­n, käme dies der Binnenkonj­unktur, der Infrastruk­turmoderni­sierung und der alleinigen Zukunft Deutschlan­ds als Hochtechno­logie-Gesellscha­ft zugute. Stattdesse­n hat Deutschlan­d 843 Milliarden Euro so gut wie im Mittelmeer versenkt. Die verschleie­rten Gesamtkost­en der Eurorettun­g für Steuerzahl­er und Sparer belaufen sich längst auf über eine Billion Euro. Tendenz steigend. DER AUTOR IST PROFESSOR UND FACHANWALT FÜR EU-RECHT IN LONDON UND EHEMALIGER BERATER FÜR EU-RECHT IM BRITISCHEN PARLAMENT.

 ?? FOTO: DPA ?? Gunnar Beck ist Professor in London.
FOTO: DPA Gunnar Beck ist Professor in London.

Newspapers in German

Newspapers from Germany