Rheinische Post Krefeld Kempen

Zwischen den Liedern brennt noch Licht

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Das Album „Monarchie und Alltag“von den Fehlfarben wird neu veröffentl­icht. Eine Schwärmere­i.

DÜSSELDORF Jetzt bringen sie dieses Album noch einmal heraus, digital aufpoliert und mit super Klang, und natürlich ist das gut, weil solche Neuausgabe­n bewirken, dass man wieder hinhört und vielleicht auch Jüngere aufmerksam werden. Genau genommen müssten sie „Monarchie und Alltag“aber irgendwann mal als Buch herausgebe­n, am besten als Band in der Edition Suhrkamp oder bei Merve, und es sollten nur die Texte der elf Lieder drinstehen, mehr nicht, dann wäre das die ultimative Zeit-Schrift, ein Kommentar zur unvergängl­ichen Gegenwart, eine Flaschenpo­st ohne Adressat, immer gut und gültig, nach wie vor wütend und giftig.

Die Fehlfarben haben ihr legendäres Debüt remastert. Morgen erscheint die Edition, und es wäre toll, wenn sich möglichst viele erst- oder abermals versenken in diese 39 Minuten Perfektion, in das beste deutschspr­achige Album neben Kraftwerks ebenfalls in Düsseldorf produziert­em „Trans Europa Express“. Man will eigentlich einfach nur zitieren, und ständig überlegt man, ob man sich nicht einen dicken Filzstift kauft und auf ein weißes T-Shirt schreibt, was Peter Hein singt. Das hier: „Die zweite Hälfte des Himmels könnt ihr haben / Das Hier und Jetzt behalte ich.“Oder das: „Ich kenne das Leben / Ich bin im Kino gewesen.“Und das: „Keine Atempause / Geschichte wird gemacht.“Auf jeden Fall aber das: „Was ich haben will, das krieg’ ich nicht / Und was ich kriegen kann, das gefällt mir nicht.“Es wären verflixt viele weiße T-Shirts zu beschrifte­n, jede Sentenz ein Hit.

Sie haben die Platte 1980 aufgenomme­n, und man muss beim Hören versuchen, sich Düsseldorf damals vorzustell­en, wie es ausgesehen und wie sich das Leben darin angefühlt hat. „Ich schau mich um und seh’ nur Ruinen / Vielleicht liegt es daran, dass mir irgendetwa­s fehlt“, singt Peter Hein, und man ist aufs Neue verblüfft, wie gut die Band spielt: die Gitarren, der Bass, die Drums, das Saxophon!

Es war Aufbruch und Widerspruc­h damals, „Achtundset­zdich!“, und Aufbruch heißt, dass die Füße noch nicht da sind, wo der Kopf längst ist. Die Rotzigkeit ist nur Anstrich, darunter schlägt das Herz des Poeten. „Die Zukunft wird auch nicht bewältigt“, skandiert Peter Hein, und Peter Glaser schreibt im Begleittex­t, dass Musiker damals die besseren Dichter waren. Das stimmt, „Monarchie und Alltag“ist genau genommen ein Kurzgeschi­chtenband über den großen Hirnriss; zwischen den Liedern brennt noch Licht, und aus den Formeln und Parolen ergeben sich immer wieder Erzählunge­n wie in „Das war vor Jahren“, jenem Lied, das wie eine Story anhebt: „Die Mädels stellen den Jungens nach im Glanz der Neonreklam­e.“

Alte BRD, Musikhaupt­stadt Düsseldorf, Ratinger Hof, Geschichte­n aus dem täglichen Sterben. Erst 21 Jahre nach Veröffentl­ichung hat „Monarchie und Alltag“eine Goldene Schallplat­te bekommen. Aber inzwischen weiß zum Glück fast jeder, wie gut dieses Album ist. „Und wir tanzten bis zum Ende / Zum Herzschlag der besten Musik.“

Es geht voran.

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FOTO: DPA Claudio Monteverdi (1567 bis 1643) im berühmten, 1640 entstanden­en Gemälde von Bernardo Strozzi.
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