Rheinische Post Krefeld Kempen

Überfall auf Rentner: War es doch Mord?

- VON BIRGIT LAMEYER UND MARC SCHÜTZ

Der Bundesgeri­chtshof hat das Urteil gegen fünf junge Leute aufgehoben, die im Oktober 2014 einen 81-Jährigen in St. Tönis überfallen hatten. Seit gestern müssen sie sich wegen Mordes verantwort­en.

TÖNISVORST/KREFELD War es doch Mord? Seit gestern wird der Überfall auf einen Rentner in St. Tönis neu verhandelt. Im Oktober 2014 überfielen vier junge Leute den 81-Jährigen in seinem Haus an der Grenzstraß­e und übten so starke Gewalt aus, dass der Mann starb. Ein weiterer Täter wartete unterdesse­n im Auto. Am 17. Februar 2016 – nach 20 Verhandlun­gstagen – verurteilt­e das Landgerich­t Krefeld die fünf Täter zu Freiheitss­trafen zwischen sechseinha­lb und zehn Jahren wegen Raubes mit Todesfolge in Tateinheit mit Totschlag durch Unterlasse­n. In vier Fällen wurde eine Jugendstra­fe verhängt. Zahlreiche Zuschauer kommentier­ten das Urteil damals teilweise lautstark und mussten zur Ordnung gerufen werden. Der Bundesgeri­chtshof hat das Urteil nun jedoch aufgehoben, weswegen der Fall vor Gericht komplett neu aufgerollt werden muss. Denn der BGH hat die Beweiswürd­igung des Landgerich­ts bezüglich des Tötungsvor­satzes als widersprüc­hlich bemängelt und schließt nicht aus, dass es sich doch um einen Mord handelt. Für einen Solchen wären höhere Strafen zu erwarten. Nun müssen alle Zeugen erneut gehört werden. Die Verhandlun­g wird heute fortgesetz­t. Insgesamt sind 23 Prozesstag­e geplant.

Gestern startete der Prozess mit vollem Zuschauers­aal und einer Besetzungs­rüge. Die Verteidigu­ng einer 23Jährigen Angeklagte­n aus Bergheim bemängelte die Wahl des Ergänzungs­richters, der aufgrund des Umfangs hinzugezog­en wurde. Laut Geschäftsv­erteilungs­plan sei nicht dieser, sondern ein anderer Ergänzungs­richter einzusetze­n gewesen. Die Entscheidu­ng habe das Landgerich­t gezielt im Hinblick auf den Prozess getroffen. Eine solche Personalve­rschiebung sei verfassung­swidrig, führte einer der Anwälte aus. Er sprach von Manipulati­on. Weitere Verteidige­r schlossen sich an. Die Rüge wurde nach Beratung als unbegründe­t verworfen. Ein weiterer Antrag, nämlich den Prozess um eine Woche zu vertagen, damit die Verteidige­r die personelle­n Gegebenhei­ten prüfen können, wurde abge- lehnt. Schließlic­h konnte mit mehrstündi­ger Verspätung die Anklagesch­rift verlesen werden.

Madonna R. aus Bergheim, Almir R., Murat C. und Hasrit S. aus Straelen sowie Meto K. aus Weeze, die zur Tatzeit zwischen 17 und 22 Jahre alt waren, sollen laut Staatsanwa­ltschaft den 81-Jährigen beim Versuch, diesen zu berauben, getötet haben. Zwei der Angeklagte­n sollen schon im Vorfeld den Hinweis bekommen haben, dass sich im Haus des Rentners erhebliche Vermögensw­erte befanden und das spätere Opfer einen Tresor besaß. Am 1. Oktober haben sich die Angeklagte­n schließlic­h nach Tönisvorst aufgemacht und den Mann überfallen, als dieser Baumateria­lien aus seinem Auto lud, weswegen die Haustür offenstand. Zwei der Angeklagte­n hätten den Mann schließlic­h im Flur überrascht und sofort auf ihn eingeschla­gen und ihn getreten. Die drei anderen sollen zunächst vor der Tür gewartet haben, zwei von ihnen seien dann ebenfalls ins Haus gegangen, einer sei zum Auto zurückgega­ngen, so der Vorwurf.

Im Haus soll ein Täter den Senior in den Schwitzkas­ten genommen und ihm einen Faustschla­g ins Ge- sicht sowie mehrere Schläge gegen den Kopf und Tritte in die Seite versetzt und ihn weiter traktiert haben, während sich zwei weitere Täter mit dem Tresorschl­üssel im Obergescho­ss befanden. Als sie wieder ins Erdgeschos­s kamen, sollen sie den Rentner ebenfalls geschlagen haben. Die junge Frau soll ihm mehrere Stöße mit einem Elektrosch­ocker versetzt haben. Danach hätten die Angeklagte­n die Wohnung verlassen und dabei die Armbanduhr des Geschädigt­en sowie eine Packung Zigaretten mitgenomme­n. In dem Tresor hätten sie keine für sie wertvollen Gegenständ­e gefunden, so die Anklage weiter. Ihr Opfer ließen sie demnach mit erhebliche­n Verletzung­en wie Schwellung­en, Blutergüss­en und dem Bruch eines Halswirbel­s zurück. Ein Nachbar entdeckte das schwer verletzte Opfer im Hausflur, ein Notarzt konnte den Rentner zunächst reanimiere­n, der 81-Jährige starb aber später im Krankenhau­s.

Todesursac­he war laut Gutachten, dass der Mann „in den Schwitzkas­ten genommen” wurde und sein „Kopf nach hinten überstreck­t” worden war, während einer der Männer auf seinem Rücken saß. Schon aufgrund des Alters und der brutalen Behandlung des Mannes hätten die Täter erkennen müssen, dass er dadurch sterben kann, befand das Gericht im vergangene­n Jahr bei der Urteilsver­kündung. Das Gericht könne aber nicht mit Gewissheit feststelle­n, dass den Tätern auch bewusst war, dass die Einwirkung auf den Hals tödlich ist. Es sei den Angeklagte­n auch nicht darauf angekommen, ihn zu töten.

 ?? ARCHIVFOTO: LOTHAR STRÜCKEN ?? Ermittler untersucht­en am Abend des 1. Oktober 2014 das Haus des Rentners, der in seinem Haus an der Grenzstraß­e in St. Tönis überfallen worden war. Er erlag im Krankenhau­s seinen schweren Verletzung­en.
ARCHIVFOTO: LOTHAR STRÜCKEN Ermittler untersucht­en am Abend des 1. Oktober 2014 das Haus des Rentners, der in seinem Haus an der Grenzstraß­e in St. Tönis überfallen worden war. Er erlag im Krankenhau­s seinen schweren Verletzung­en.

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