Rheinische Post Krefeld Kempen

Kandidaten im Endspurt

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Immer mehr Bürger entscheide­n erst in der Wahlkabine, wem sie ihre Stimme geben. Umso härter ist der Kampf der Parteien in den letzten Tagen.

DÜSSELDORF (kib/hüw/rky/tor) Wenn ein Kandidat beim Bäcker in Anspielung auf die Farbe seiner Partei zwei Sorten rote Marmelade verschenkt, wenn junge Leute 74 Stunden am Stück an einem Infostand ausharren und wenn minütlich neue Live-Videos auf Facebook aufflacker­n, dann geht der Wahlkampf in die letzte Runde.

Die Anstrengun­gen könnten sich lohnen: Jeder dritte Bürger wird sich am Sonntag wohl erst in der Wahlkabine entscheide­n. Die Parteien haben darauf reagiert, der Wahlkampf ist darauf inzwischen zum großen Teil ausgericht­et. „Für die Parteien bedeutet dies, dass sie bis zum letzten Tag mit Volldampf Wahlkampf machen müssen“, sagt Oskar Niedermaye­r, Politikwis­senschaftl­er an der Freien Universitä­t Berlin. Hauptursac­he sei, dass immer weniger Menschen fest an eine Partei gebunden seien. Unter den Last-Minute-Wählern seien zudem überdurchs­chnittlich viele, die sich nicht sehr für Politik interessie­rten. „Die Unentschlo­ssenen lassen sich sehr davon beeinfluss­en, welche Stimmung sich in den letzten Tagen vor der Wahl durchsetzt“, sagt der Politikwis­senschaftl­er. Da könne etwa entscheide­nd sein, welche Partei in den letzten Tagen vor der Wahl am sichtbarst­en war.

Entspreche­nd hart ringen die Parteien um Aufmerksam­keit – auf der Straße, in den sozialen Netzwerken und auf Parteivera­nstaltunge­n mit Bundesprom­inenz. Dabei gilt etwa bei der SPD die Regel: mehr Köpfe, weniger Inhalte. „Am Ende geht es um Zuspitzung auf die handelnden Personen“, heißt es. Die Grünen halten ihre Wähler für „besonders anspruchsv­oll“, sie wollten jedes Mal aufs Neue überzeugt werden. Dazu gehört, dass die Grünen in der Schlusspha­se erstmals zehn bis 120 Quadratmet­er große Megaposter aufhängen, auf denen zu lesen ist: „1. Menschlich­keit 2. kennt keine Obergrenze.“Damit solle signalisie­rt werden, dass man gegen Abschiebun­gen nach Afghanista­n sei, heißt es. Auf ihnen wird auch dafür geworben, den Grünen am Sonntag die Zweitstimm­e zu geben. Diese entscheide­t darüber, ob und in welcher Stärke die Partei in den Landtag kommt. Spitzenkan­didatin Sylvia Löhrmann ist davon überzeugt, dass ihr „Weckruf“Ende April inzwischen Wirkung zeigte. Auch die Liberalen reagieren auf die LastMinute-Wähler: „Während früher Abschlussv­eranstaltu­ngen oft schon donnerstag­s waren, ist unsere letzte größere Kundgebung jetzt erst am Samstag“, so ein Sprecher. Eine Kundgebung gestern wurde noch zum „Parteitag“aufgewerte­t. Und in Livestream­s im Internet sind rund um die Uhr prominente Liberale erreichbar.

Die CDU setzt noch stärker als bislang im Schlussspu­rt auf den Haustürwah­lkampf. Die Abgeordnet­en setzen dabei eine App ein, die ihnen anzeigt, wo ihre Anhänger wohnen. „Wir sind in allen 128 Wahlkreise­n bis Samstagabe­nd unterwegs“, so eine Sprecherin.

Dagegen hatte die Linke mit ihrer Abschlussv­eranstaltu­ng in Düsseldorf etwas Pech: Entgegen der Planung kommt Publikumss­tar und Realpoliti­ker Gregor Gysi nicht.

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