Rheinische Post Krefeld Kempen

54 Milliarden Euro mehr für den Staat

- VON BIRGIT MARSCHALL

Vor allem Länder und Kommunen nehmen laut der Steuerschä­tzung bis 2021 deutlich mehr ein als bisher erwartet. In den Parteien befeuert die Prognose die Steuersenk­ungsdebatt­e, doch Ökonomen warnen vor überzogene­n Plänen.

BERLIN Der Staat kann in den Jahren bis 2021 mit insgesamt gut 54 Milliarden Euro mehr Steuereinn­ahmen rechnen als bisher erwartet und hat damit einen etwas größeren Spielraum für Steuerentl­astungen und höhere Investitio­nen. Allerdings sieht die Steuerprog­nose vor allem für die Länder und die Kommunen deutlich besser aus, nicht dagegen für den Bund. Er kann nur mit Mehreinnah­men von rund drei Milliarden Euro kalkuliere­n, die Länder dagegen mit 30 und die Kommunen mit 27 Milliarden Euro, wie gestern die amtliche neue Steuerschä­tzung ergab. Immerhin wird der Bund insgesamt fast sieben Milliarden Euro weniger an die EU abführen müssen. Der Chef der Wirtschaft­sweisen, Christoph Schmidt, und andere führende Ökonomen warnten die Politiker davor, im Wahlkampf bei den Bürgern eine zu hohe Entlastung­serwartung zu schüren.

Die Steuerschä­tzung, an der unter anderem die Bundesbank und führende Wirtschaft­sforschung­sinstitute beteiligt sind, ist jeweils im Mai und im November fällig. Sie bildet die Grundlage für die Haushaltsp­lanungen von Bund und Ländern.

Dank der robusten Konjunktur und der guten Beschäftig­ungslage fällt die neue Mai-Schätzung erneut besser aus als die November-Prognose. Insgesamt kann der Staat 2017 nun mit 732,4 Milliarden Euro rechnen, knapp acht Milliarden mehr als bisher vorhergesa­gt. Davon entfallen auf den Bund 2,4, auf die Länder 6,5 und die Kommunen 2,5 Milliarden Euro. Die EU erhält 3,6 Milliar- den Euro weniger von Deutschlan­d. Bis 2021 könnte das jährliche Steueraufk­ommen auf 852,2 Milliarden Euro steigen – 17 Milliarden mehr.

Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU) dämpfte die Erwartung an hohe Steuerentl­astungen in der nächsten Wahlperiod­e. Er sieht Spielraum für eine Entlastung der unteren und mittleren Einkommen im Umfang von netto 15 Milliarden Euro im Jahr. Zudem soll von 2020 an der Solidaritä­tszuschlag, der allein dem Bund zusteht, in elf Jahresschr­itten bis 2030 abgebaut werden.

Den Wirtschaft­spolitiker­n der Union ist das zu wenig: Carsten Linnemann, Chef der Mittelstan­dsvereinig­ung MIT von CDU/CSU, forderte jährliche Entlastung­en um mindestens knapp 20 Milliarden Euro. FDP-Chef Christian Lindner verlangte eine Steuerentl­astung von sogar 30 bis 40 Milliarden Euro.

Steuerzahl­erpräsiden­t Reiner Holznagel forderte die Parteien auf, die Mittelschi­cht wirksam zu entlasten. „Dazu muss der Tarif flacher verlaufen, der Spitzenste­uersatz muss viel später greifen – und der Tarif muss regelmäßig mindestens an die Inflation angepasst werden“, sagte er. Auch die SPD bastelt an Steuersenk­ungsplänen für untere und mittlere Einkommen, die sie Montag vorlegen will. Zur Gegenfinan­zierung will sie voraussich­tlich ab etwa 80.000 Euro Jahreseink­ommen die Steuerlast erhöhen. Ab hier könnte laut SPD der Spitzenste­uersatz von derzeit 42 Prozent steigen.

Ökonomen warnten vor zu hohen Erwartunge­n. Zu den Zukunftsri­siken gehöre die Alterung, die zu sozialen Mehrausgab­en führen werde.

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