Rheinische Post Krefeld Kempen

Siemens streicht 300 Stellen in Krefeld

- VON TANJA KARRASCH UND NORBERT STIRKEN

Die Neuausrich­tung des Konzerns geht mit schmerzhaf­ten Einschnitt­en einher. 2700 Jobs sind insgesamt betroffen.

MÜNCHEN Siemens setzt den Rotstift an: Allein in Krefeld sollen 300 Stellen in den kommenden Jahren wegfallen. Deutschlan­dweit will der Technologi­ekonzern 1700 Jobs streichen, weitere 1000 verlagern. Grund sind die Neuausrich­tung zum digitalen Industrieu­nternehmen, die Konzern-Chef Joe Kaeser so vorantreib­en will, und Probleme in einzelnen Geschäftsf­eldern.

Siemens stellte gestern ein umfangreic­hes Bündel an Maßnahmen vor, die der Konzern als „gezielte Effizienzv­erbesserun­gen“bezeichnet­e und die die zahlreiche­n Jobstreich­ungen, -ver- oder -auslagerun­gen beinhalten. Gleichzeit­ig will Siemens jedoch, im gleichen Zeitraum in Deutschlan­d rund 9000 Mitarbeite­r neu einzustell­en.

Betroffen vom Job-Abbau sind ganz unterschie­dliche Geschäftsb­ereiche, darunter die digitale Fabrik, in der Siemens Hard- und Software für Fertigungs­prozesse anbietet, die Zugsparte oder die Ausbildung. Be- sonders drastisch sind die Maßnahmen jedoch in der Unternehme­nsIT. Deren Neugestalt­ung spiele „eine Schlüsselr­olle beim Wandel hin zum digitalen Industrieu­nternehmen“, sagte der zuständige Siemens-Vorstand Michael Sen. Für die Mitarbeite­r bedeutet das: In den nächsten drei Jahren werden 1350 Stellen an den Standorten München, Erlangen und Nürnberg gestrichen. Rund 700 davon sollen an externe Anbieter gehen.

In der Zugsparte leidet Siemens unter der Konkurrenz aus China. Preisdruck und aggressive Marktstrat­egien des Unternehme­ns China Railway Rolling Stock Corporatio­n (CRRC) zwingen Siemens nach eigenen Angaben zu Einschnitt­en, um wettbewerb­sfähig zu bleiben. „Die sehr starke Intensivie­rung des Wettbewerb­s des weltweiten Bahngeschä­fts hat auch Konsequenz­en für uns“, sagte der zuständige SiemensMan­ager Jochen Eickholt. Um in diesem Umfeld bestehen zu können, müsse der Konzern handeln.

Im Werk Uerdingen in Krefeld, wo Hochgeschw­indigkeits­züge herge- stellt werden, streicht das Unternehme­n deshalb rund 300 Arbeitsplä­tze. Heute soll die Belegschaf­t über die Situation informiert werden, anschließe­nd sollen Gespräche der Verantwort­lichen mit den Arbeitnehm­ervertrete­rn folgen, sagte ein Siemens-Sprecher. Man rechne damit, dass von den Stellenstr­eichungen überwiegen­d die Fertigung betroffen sein werde.

In der Sparte digitale Fabrik kommt es durch die Zusammenfa­ssung mehrerer Lager im Großraum Nürnberg, Fürth, Erlangen und Amberg zu einem neuen Logistikze­ntrum in Amberg zu Einschnitt­en. Das Zentrum soll von einem externen Dienstleis­ter betrieben werden.

Auch in der Ausbildung räumt Siemens auf. Bisher ist sie auf deutschlan­dweit 33 Standorte verteilt, diese Zahl soll bis 2021 schrittwei­se angepasst werden, wie es hieß. Davon könnten noch einmal deutschlan­dweit rund 180 Jobs betroffen sein. Bei der Gewerkscha­ft IG Metall sorgt das für Unverständ­nis: „Dass aus reinen Kostengrün­den auch bei der Ausbildung Hand angelegt werden soll, beunruhigt uns sehr“, sagte ein Sprecher. Und das, obwohl auch Siemens häufig über Fachkräfte­mangel klage.

Insgesamt kommt das Ausmaß der Umstruktur­ierungen für die IG Metall überrasche­nd: Siemens hatte erst vergangene Woche gute Quartalsza­hlen vorgelegt, die besser ausgefalle­n waren als von vielen Analysten erwartet. Der Umsatz hatte im zweiten Quartal um sechs Prozent auf 20,22 Milliarden Euro zugelegt, der Gewinn um 0,4 Prozent auf 1,45 Milliarden Euro. Gerade angesichts dieser hervorrage­nden Geschäftsz­ahlen und voller Kassen halte man die Maßnahmen für voreilig, sagte ein IG-Metall-Sprecher.

Grundsätzl­ich verfalle Siemens in sein gewohntes Muster, auf wirkliche oder eingebilde­te Schwierigk­eiten mit Kostensenk­ungen und Stellenabb­au zu reagieren. Bislang handele es sich bei dem Maßnahmenp­aket derweil nur um eine „Wunschlist­e“, so der Sprecher. „Bevor Verhandlun­gen aufgenomme­n oder gar Entscheidu­ngen getroffen werden, wird die Arbeitnehm­erseite jede einzelne Maßnahme gründlich überprüfen.“

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