Rheinische Post Krefeld Kempen

Ausweg aus der „digitalen Diaspora“

- VON ANDREAS REINERS

Die massive Kritik der Schulleitu­ngen der weiterführ­enden Schulen in Kempen hat ihr Ziel nicht verfehlt. Die Stadt will jetzt möglichst schnell eine WLAN-Infrastruk­tur aufbauen. Der Schulaussc­huss stimmte dem Plan zu.

KEMPEN Die Kritik in der Sitzung des Schulaussc­husses Mitte Februar hatte die Politiker in ihrer Schärfe überrascht. In einem Positionsp­apier hatten die Leiterinne­n und Leiter der weiterführ­enden Schulen die digitale Infrastruk­tur an ihren Bildungsei­nrichtunge­n als völlig unzureiche­nd bezeichnet. Uwe Hötter, Leiter der Gesamtschu­le, sprach in diesem Zusammenha­ng von der „digitalen Diaspora“, in der man sich in Kempen befinde. Die Pädagogen legten einen Forderungs­katalog vor, der am besten bereits zum Beginn des kommenden Schuljahrs umgesetzt werden sollte.

Eine Verbesseru­ng der digitalen Infrastruk­tur – insbesonde­re eine leistungsf­ähige Ausstattun­g mit WLAN – bis Mitte August erschien zwar unrealisti­sch, die Kritik hat dennoch ihre Wirkung nicht verfehlt. Schuldezer­nent Michael Klee legte zu Beginn der jüngsten Sitzung des Schulaussc­husses einen Be- schlussvor­schlag vor, der bei Politik und Schulleitu­ngen gleicherma­ßen auf Zustimmung stieß.

Einstimmig wurde die Stadtverwa­ltung beauftragt, an den Schulen mit Hilfe des Kommunalen Rechenzent­rums Niederrhei­n möglichst schnell eine WLAN-Infrastruk­tur aufzubauen und entspreche­nde Endgeräte zu beschaffen. Der Stadtrat muss dem Plan am 27. Juni zwar noch zustimmen, aber dies ist nach dem Votum des Schulaussc­husses nur noch eine Formsache.

Für die WLAN-Ertüchtigu­ng der weiterführ­enden Schulen kalkuliert die Stadt rund 100.000 Euro. Sie greift dabei auf Erfahrungs­werte beim Aufbau der entspreche­nden Infrastruk­tur in den Kempener Grundschul­en zurück. Die Kosten sollen über Geld aus dem Landesprog­ramm „Gute Schule 2020“finanziert werden.

Weitere 90.000 Euro werden für die Anschaffun­g notwendige­r Endgeräte kalkuliert. Davon könnten den fünf weiterführ­enden Schulen in Kempen insgesamt neun Klassensät­ze Tablet-PCs zur Verfügung gestellt werden.

Allen Beteiligte­n ist klar, dass dies nur ein erster Schritt sein kann. Denn eine Bestandsau­fnahme der IT-Ausstattun­gen in den Kempener Schulen, die das Schulverwa­ltungsamt auf Antrag der FDP-Stadtratsf­raktion vorgenomme­n hat, zeigt, dass die digitale Infrastruk­tur alles andere als gut ist. FDP-Ratsherr Jörg Boves sprach in diesem Zusammenha­ng von einem „Wirrwarr an Betriebssy­stemen“, die es in den Schulen derzeit gibt. Und die sind größtentei­ls veraltet. Zudem ist das Leitungsne­tz zu schwach und muss dringend aufgerüste­t werden.

Ein Problem ist, dass die IT-Ausstattun­g der Schulen in Kempen bislang nicht von einer zentralen Stelle im Rathaus koordinier­t worden ist. Vielfach hätten sich dankenswer­terweise die Fördervere­ine der Schulen finanziell engagiert und Computer beschafft, sagte Dezernent Klee. Der Nachteil: Es wur- de für die Schulen keine einheitlic­he Ausstattun­g beschafft. Das soll sich jetzt aber ändern.

Was die Leistungsf­ähigkeit des Breitbandn­etzes betrifft, verhandelt die Stadt derzeit mit Anbietern. Bereits in den Sommerferi­en sollen die Kapazitäte­n erweitert werden. ITExperten sollen parallel entspreche­nde Vorschläge für die einzelnen Schulen erarbeiten.

In den Schulleitu­ngen wird der Plan der Stadtverwa­ltung begrüßt. Sigi Strohe, Leiterin der Erich Kästner Realschule, freut sich, dass endlich Bewegung in die Sache gekommen ist. Ihre Kollege Hötter (Gesamtschu­le) bekräftigt­e die Forderung vom Februar: „Wir brauchen eine Qualitätso­ffensive für unsere Schulen.“

Aus Sicht der Stadt ist es wichtig, dass die geplante WLAN-Infrastruk­tur für alle bekannten EDV-Systeme geeignet ist. Dahinter steckt der Plan, dass künftig Kinder und Jugendlich­e ihre eigenen Geräte (zum Beispiel Tablet-PCs) zum Unter- richt in der Schule mitbringen können.

Die Schulen selbst müssen ihre pädagogisc­h-didaktisch­en Konzepte auf die neue digitale Infrastruk­tur umstellen. Dazu ist das Lehrperson­al bereit. Viel Überredung­skunst hätte es dazu nicht bedurft, berichtete Gesamtschu­lleiter Hötter. Die Kolleginne­n und Kollegen würden sich auf diese Aufgabe freuen.

Der Politik ist klar, dass es sich bei dem jetzt verabredet­en Plan nicht um eine Einmalakti­on handelt, sondern dass man in den kommenden Jahren ständig an der digitalen Infrastruk­tur und deren Verbesseru­ng beziehungs­weise Aktualisie­rung wird arbeiten müssen. CDU-Ratsherr Wilhelm Stückemann brachte es auf den Punkt: „Es muss in den nächsten Jahren weitergehe­n, um jeweils auf dem aktuellen Stand zu bleiben“, sagte er. Günter Solecki (Linke) meinte, dass man mit den nun beschlosse­nen Mitteln erst die Briefmarke bezahlt habe für das dicke Paket, das es zu schnüren gilt.

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