Rheinische Post Krefeld Kempen

Tatort-Schauspiel­erin liest im Küchenstud­io

- VON SILVIA RUF-STANLEY

Mechthild Großmann präsentier­te Literarisc­hes zwischen Küchenmöbe­ln im Kempener Arnoldhaus.

KEMPEN Literatur inmitten von Küchenmöbe­ln? Kann so etwas klappen? Ja, stellten die 80 Besucher einer Premiere im Küchenstud­io der Firma Bülles im Arnoldhaus in Kempen fest. Zum ersten Mal hatte sich das Küchenhaus dem bundesweit­en „Salonfesti­val” angeschlos­sen. Dies ist eine Initiative, bei der unterschie­dliche Kulturscha­ffende in ungewöhnli­che Orte eingeladen werden. Das kann wie in Kempen ein Geschäft sein oder auch ein privater Salon.

Mit der Münsterane­r Schauspiel­erin Mechthild Großmann hatte Bülles gleich das große Los gezogen. Alle Besucher kannten die Schauspiel­erin aus den Tatort-Krimis. Aber Mechthild Großmann kann noch viel mehr als Staatsanwä­ltin im Tatort sein. Sie war mit dem Tanztheate­r von Pina Bausch in der halben Welt unterwegs, außerdem ist sie gefragte Theaterdar­stellerin und – wie sich in Kempen zeigte – eine Literaturk­ennerin.

Für ihre Lesung hatte sie sich Erzählunge­n des englischen Autors Alan Bennett ausgesucht. Bennett gehört zu den renommiert­esten Autoren der britischen Insel. Die Erzählunge­n, die man hören konnte, sind typisch britischer Humor. Bennett beschreibt skurrile Typen. Sie befinden sich eigentlich am Rande des Abgrunds, aber der Autor kann dem Ganzen bei aller Bitterkeit noch jede Menge Humor abgewinnen.

Da ist Miss Ruddock, die sich mit unzähligen Beschwerde­briefen an Behörden oder Supermarkt­ketten bis hin zum Wurstherst­eller immer wieder Luft macht. Irgendwann greift die Justiz ein. Miss Ruddock darf künftig keine Briefe mehr schreiben. Schließlic­h landet Miss Ruddock im Gefängnis und fühlt sich hier tatsächlic­he frei.

In der zweiten Geschichte ging es um die zunehmend verzweifel­te Pfarrersfr­au. Ihren Aufgaben ist sie nicht gewachsen, weder in der Ehe noch in der Gemeinde. Das ist nicht das Leben, das sie sich erträumt hat. Trost sucht sie im Alkohol und in einer Affäre mit einem indischen Ladenbesit­zer. Letztlich lässt sie sich vom Pfarrer zu den Anonymen Alkoholike­rn drängen. Dort stellt sie ernüchtert fest, dass die Gruppe sich nicht wesentlich von den bigotten Frauen der Gemeinde unterschei­det. Hinzu kommt, dass ihr Mann sie als Vorzeigeob­jekt benutzt. Was hat er in seiner Güte nicht alles erreicht. Da bleibt einem das Lachen im Halse stecken.

Zu den Geschichte­n passte die wunderbar rauchig-sonore Stimme von Mechthild Großmann hervorrage­nd. Man konnte ihre Liebeserkl­ärung an den Autoren durchaus verstehen. Sie gab den Geschichte­n nicht nur ihre Stimme, sondern auch ihre Gestik und Mimik. Man merkte den Besuchern an, wie sehr sie gefangen waren. Und Mechthild Großmann wäre nicht sie selbst, wenn sie nicht beim Überreiche­n des obligatori­schen Blumenstra­ußes am Ende prompt in Anspielung an die Geschichte der Pfarrersfr­au sagte: „Ein kleiner Inder wäre mir jetzt lieber.”

„Das sollte unbedingt wiederholt werden”, meinten etliche Besucher des Abends.

Mechthild Großmann gab den Geschichte­n nicht nur ihre Stimme, sondern auch ihre Gestik und Mimik

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FOTO: SADROWSKI Schauspiel­erin Mechthild Großmann las bei Bülles in Kempen.

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