Rheinische Post Krefeld Kempen
Auf den Spuren der „Kolonie“
Dr. Helmut Fellinger hat ein Thema angepackt, das bis dato im Dunkeln schlummerte. Er schrieb ein Buch zur Entstehungsgeschichte der „Kolonie“.
SCHIEFBAHN Am Anfang war es „nur“ein 25 Seiten starker Vortrag. Nun ist ein 130 Seiten umfassendes, historisch fundiertes Buch daraus geworden. Wenn Dr. Helmut Fellinger auf die vor ihm liegenden Seiten schaut, dann huscht ein Lächeln über sein Gesicht. „Eigentlich ist der Grundstein zu diesem Buch vor 73 Jahren gelegt worden“, sagt der Schiefbahner mit einem Augenzwinkern. Denn er selbst wurde genau dort geboren, wo sein gerade erschienenes Buch ebenfalls seine Wurzeln hat: in der „Kolonie“.
Wenn ihn als Kind jemand fragte, wo er denn wohne, habe er nicht mit dem Straßennamen geantwortet, sondern immer „An der Kolonie“gesagt, erinnert sich Fellinger. Und genau dieser „Kolonie“hat er jetzt ein Buch gewidmet. Unter dem Titel „Die Kolonie – Entstehung und Geschichte der Wohnsiedlung der Fa. Deuß & Oetker in Schiefbahn“setzt er sich mit der Entstehungsgeschichte der Arbeiterhäuser auseinander, die Albert Oetker einst errichten ließ, nachdem er gemeinsam mit dem Krefelder Industriellen Wilhelm Deuß 1889 mit dem Bau der Fabrikanlagen für die VerseidagWeberei in Schiefbahn begonnen hatte. Während es über die Entstehung und Entwicklung der Verseidag bereits eine Vielzahl von Abhandlungen gibt, ist der Bereich der Wohnsiedlung bis dato noch nie ausführlich beleuchtet worden.
Dabei ist das Buch von Fellinger mehr oder weniger durch Zufall entstanden. Der Archivar der Heimatund Geschichtsfreude Willich hatte im vergangenen Jahr nach entsprechender Recherche im Kreis- und Stadtarchiv einen Vortrag zur Entstehung der „Kolonie“angefertigt, den er im Juni im Schiefbahner Heimatmuseum hielt. Das 25 Seiten umfassende Werk kam gut an. „Nach dem Vortrag stellte ich mir die Frage: Wegschmeißen oder ein Buch daraus machen? Ich habe mich für das Buch entschieden“, erzählt Fellinger.
Und so tauchte er nochmals in die Archive ab und suchte in den Findbüchern nach weiteren Unterlagen. Er stieß auf Baubeschreibungen, Pläne und Genehmigungen, die er teilweise abfotografierte und in sein Buch einbrachte. Handschriftliche Dokumente von Deuß und Oetker sind so zu lesen – und das für jedermann, denn Fellinger übersetze die Originale, damit auch diejenigen, die mit der alten Schrift nicht zurechtkommen, die Inhalte verfolgen können. Fotos der alten Häuser von früher und heute fehlen natürlich ebenfalls nicht.
Wenn der Schiefbahner von der Recherche erzählt, dann leuchten seine Augen. „Ich bin auf so viel Interessantes gestoßen, das ich verwenden konnte“, sagt der Autor. So stellte Albert Oetker einst den Bauantrag für seine Villa in Form eines einzelnen Satzes, der da lautete: „Der Unterzeichnete beabsichtigt, auf seinem Grundstück in Schiefbahn eine Villa nach den in duplo beiliegenden Zeichnungen erbauen zu lassen, und bittet um die polizeiliche Genehmigung.“Dieses Schreiben war auf den 10. Mai 1897 datiert. Nur vier Tage später, nämlich am 14. Mai, erhielt Oetker bereits die Baugenehmigung.
Fellinger entdeckte bei seiner Recherche manches Anekdötchen, darunter auch Dinge, die ältere Schiefbahner Bürger noch rund um die „Kolonie“wussten. So passten die früheren großen Haustürschlüssel nicht nur auf die eigene Wohnungstür. Dazu kommen Fellingers persönliche Verbindung zur „Kolonie“und sein eigenes Wissen, immerhin lebte Fellinger dort bis zu seinem 21. Lebensjahr. „Mein Großvater war Schlossermeister und Werkstattleiter in der Verseidag und 1901 in eines der dortigen Häuser gezogen. Meine Mutter wurde dort geboren und ich ebenfalls. Wobei meine Mutter in der Kontrolle der Stoffe in der Weberei arbeitete. Mein Vater hingegen war Bundesbahnbeamter“, erzählt Fellinger.
Rund ein halbes Jahr Arbeit steckt in dem Buch, das den ehemaligen Rechtsanwalt neben der eigentlichen Recherche unzählige Stunden am Schreibtisch verbringen ließ. „Mein Mann ist viele Stunden in seinem Arbeitszimmer verschwunden“, sagt Inge Fellinger mit einem Lächeln. Sie freut sich nun genauso wie ihr Mann über das gelungene Werk, von dem die ersten 200 Exemplare jetzt in den Verkauf gehen.