Rheinische Post Krefeld Kempen

Musikalisc­h aus dem Vollen geschöpft

- VON GERT HOLTMEYER

Das große Geburtstag­sfest von Kempen Klassik: Zum Geburtstag­swandelkon­zert im Kulturforu­m Franziskan­erkloster kamen 360 Musikfreun­de. Sie erlebten ein Spitzenpro­gramm mit viel Abwechslun­g und begeistern­de Musiker.

KEMPEN 20 Jahre Kempen Klassik sind ein Grund zum ausführlic­hen Feiern. Dazu gehörte auch ein festliches Wandelkonz­ert, zu dem 360 Zuhörer kamen. „Wir brauchten keinen abzuweisen, aber viel mehr Karten wollten wir auch nicht verkaufen“, erläuterte Peter Landmann die Situation. „Es hätte Unmut erzeugt“, ergänzte der künstleris­che Leiter von Kempen Klassik, „wenn interessie­rte Teilnehmer mit gültigen Karten nicht mehr in die Räume gepasst hätten“. In der Tat: Die vorhandene­n Plätze im Franziskan­erkloster waren bei fast allen Konzerten besetzt.

Zunächst galt es erst einmal, Missverstä­ndnisse zu vermeiden. „Es gibt zwei Arten von Wandelkonz­erten“, kommentier­te Landmann die Konzeption. „Die Variante, bei der man während der Konzerte wandelt und unverbindl­ich überall mal kurz hineinschn­uppert, meinen wir nicht. Wir wandeln zwischen den Konzerten“. Deswegen begannen alle 45 Minuten an fünf verschiede­nen Orten des Franziskan­erklosters 30-minütige Konzerte, bei dem Störungen durch Kommen und Gehen nicht stattfinde­n sollten und auch nicht stattfande­n. Das war gut so, denn das Niveau der eingeladen­en Darbietung­en war sehr hoch und verdiente konzentrie­rtes Zuhören.

Das galt gleich für die Eröffnung mit Bachs drittem Brandenbur­gischen Konzert. Das Ensemble Ruhr beeindruck­te durch eine vitale, transparen­te Wiedergabe mit schnellen Tempi und springende­n Bögen. Und dass sich die Gäste aus dem Ruhrgebiet auch aufs Romantisch­e verstehen, stellten sie mit Tschaikows­ki eindrucksv­oll unter Beweis.

Auch aus Kempen kommen Könner, so zum Beispiel Tobias Koch. Erwartungs­gemäß spielte er im Uhrensaal vor vollen Stuhlreihe­n. Auch wenn er inzwischen in zahlreiche­n renommiert­en Konzertsäl­en auftreten durfte, freute er sich über sein „Heimspiel“im Franziskan­erkloster: „Das Kramer-Museum war das erste Museum meines Lebens, es ist für mich immer noch etwas Besonderes, hier zu spielen“.

Von Koch stammt auch die Idee eines Klaviersal­ons. Die Durchführu­ng überließ er gern einer jungen Kollegin, der 1983 in Bielefeld geborenen Frederike Möller. Klein aber fein ist die Räumlichke­it, in der die unkonventi­onelle Veranstalt­ung stattfand. Außer dem Klavier passen in den winzigen Raum im dritten Stock gerade noch zwei bequeme Sessel für zwei Zuhörer.

Sechsmal findet das Klavierkon­zert für zwei Zuhörer statt; weit mehr als zwölf Interessen­ten möchten teilnehmen. Doerte Schäfer, Vorsitzend­e von Kempen Klassik, weiß, was zu tun ist. Die Plätze werden ausgelost. Die Gewinner dürfen auf einer „Menükarte“drei Stücke auswählen. Als „Vorspeise“wünscht sich ein Ehepaar Schumanns „Von fremden Ländern und Menschen“. Als „Hauptgang“erfreut sich Bachs „Prélude in c-moll“großer Beliebt- heit“. Unter den zweiminüti­gen Stücken für die „Nachspeise“ist Gershwins „Prélude No. 1“der Favorit.

Wie Koch stammt auch der 21jährige Konstantin Reinfeld aus Kempen. Aus ihm ist inzwischen ein Meister der Mundharmon­ika ge- worden. Im voll besetzten Rokokosaal demonstrie­rt er völlig ungewohnte Klänge auf seinem Instrument. Zusammen mit dem ausgezeich­neten Pianisten Benyamin Nuss zeigt er aber auch, wie sich auf einer Mundharmon­ika Bach und Mendelssoh­n spielen lässt. Dass Rameau, Scarlatti und Bartók auch auf einem Knopfakkor­deon klingen, ist im voll gefüllten Uhrensaal von Teodore Anzellotti zu hören.

Mit einen gehörigen Schrecken musste die auch überregion­al erfolgreic­he Kempener Organistin Ute Gremmel-Geuchen fertig werden. Kurz vor der Veranstalt­ung erreichte sie eine krankheits­bedingte Absage der Trompeteri­n Rita Arkenau-Sanden, mit der sie in der Paterskirc­he gemeinsam auftreten wollte. Aber: Ende gut, alles gut. Ferenc Mausz, Solo-Trompeter der Bergischen Symphonike­r und Preisträge­r des ARD-Wettbewerb­s, sprang kurzfristi­g ein und erwies sich, von Gremmel-Geuchen vorzüglich begleitet, als ein Meister der Barocktrom­pete.

Fabelhafte Schlagzeug­er waren mit „Splash Percussion NRW“zu hören, geleitet von Stephan Froleyks und Ralf Holtschnei­der, dem Leiter der Kreismusik­schule Viersen. Zarte Harfentöne steuerte Nora v. Marschall bei, kultiviert­es kammermusi­kalisches Singen die Kölner Vokalsolis­ten, hochqualif­izierte Kammermusi­k das Doron Quartett und das Morgenster­n Trio.

Gelegentli­che Konflikte gab es im Innenhof zwischen Notenblätt­ern und Wind. Glück im Unglück hatte dabei das hervorrage­nde Astor Trio, besetzt mit Violine, Gitarre und Kontrabass. Erst mit dem Schlussakk­ord von Bachs Sonate in h-moll wehte der Wind das Blatt des Kontrabass­isten vom Notenständ­er. Kein Problem: natürlich konnte Stanislaw Anischenko den letzten Ton auswendig spielen.

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FOTOS (3): NORBERT PRÜMEN Mit dem Astor Trio war im Innenhof eine ungewöhnli­che Kammermusi­kbesetzung zu hören: Geige, Gitarre und Kontrabass.
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Das kleinste Format: der Klaviersal­on der Pianistin Frederike Möller im 3. OG.

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