Rheinische Post Krefeld Kempen

Schwarz-Gelb braucht eine Leitidee

- VON MICHAEL BRÖCKER VON EVA QUADBECK EINE PARTEI AUF DER SUCHE . . ., SEITE A 5 VON MATTHIAS BEERMANN UND WIEDER GRÜSST . . ., SEITE A 7

Die Erinnerung­en an Schwarz-Gelb sind verblasst, in keinem Bundesland regieren Union und FDP. Das letzte Bündnis im Bund war geprägt von Misstrauen, Chaos und der Steuersenk­ungs-Ideologie der Liberalen. Der frühere FDP-Chef Guido Westerwell­e rief 2010 eine „geistig-politische“Wende aus, das Volk wandte sich ab. 2011 gab er sein Amt auf, Nachfolger Philipp Rösler führte die Partei aus dem Bundestag.

Christian Lindner hat die Scherben zusammenge­kehrt, die Partei reanimiert, thematisch verbreiter­t, das bleibt sein Verdienst. Die Gefahr einer überzogene­n Politik ist in seiner Partei indes nicht gebannt.

Was soll die Leitidee für Schwarz-Gelb sein? Diese Frage müssen die Partner klären. Eine Entfesselu­ngskoaliti­on für die Wirtschaft ist zu wenig. Das Ruhrgebiet braucht Wandel und Jobs, die Schulpolit­ik eine Kernsanier­ung, der ländliche Raum Anbindung. Bezahlbare Mieten sind ein Problem der Mittelschi­cht, die ökologisch­e Wende ist ein Projekt für Christen. Das Land sicherer machen, ohne individuel­le Rechte zu schleifen. Dazu das Mega-Thema Integratio­n. Es ist ein gewaltiges Programm für eine Regierung mit einer Stimme Mehrheit. Sorgfalt und Seriosität müssen die Koalitions­verhandlun­gen prägen. BERICHT REGIERUNG SOLL BIS SOMMER STEHEN, TITELSEITE

SPD verweigert sich

Mit ihrem Beschluss, eine große Koalition in NRW auszuschli­eßen, hat die SPD demokratis­che Gepflogenh­eiten grob verletzt. Sich einer Regierungs­bildung mit anderen Demokraten zu verweigern, ist auch ein merkwürdig­es Verständni­s des Wählerwill­ens.

Auf Bundeseben­e treibt die Absage an eine große Koalition in NRW beide Volksparte­ien in einen Lagerwahlk­ampf, von dem sich die SPD Auftrieb verspricht. Diese rein taktische Erwägung dürfte den Sozialdemo­kraten auf die Füße fallen. Wenn die SPD das Signal setzt, dass sie nicht mehr als Juniorpart­ner in ein Bündnis der Mitte einsteigt, steuert sie auf Linksbündn­is oder Opposition zu. Das wird die Sozialdemo­kraten die Stimmen des linksliber­alen Bürgertums kosten. Die SPD in NRW hätte mindestens die Chancen ausloten müssen, wie viele ihrer politische­n Ideen sie in einer großen Koalition hätte umsetzen können. Wenn sich die SPD danach gegen Koalitions­verhandlun­gen entscheide­t, ist das zu akzeptiere­n. Sich nach einer Wahl keiner Verantwort­ung zu stellen, ist erbärmlich. BERICHT

Trump als Risiko

Hillary Clinton, so lautete einer der schärfsten Vorwürfe, den der Präsidents­chaftskand­idat Donald Trump im Wahlkampf gegen seine demokratis­che Kontrahent­in ins Feld führte, wäre im Weißen Haus ein Sicherheit­srisiko. Der sorglose Umgang Clintons mit ihren E-Mails in ihrer Zeit als Außenminis­terin galt auch den Republikan­ern als Beleg dafür, dass sie ungeeignet sei, das Land zu führen. Nun hat Trump klargemach­t, wer das wahre Sicherheit­srisiko ist: Gegenüber dem russischen Außenminis­ter plauderte der Präsident Informatio­nen der höchsten Geheimhalt­ungsstufe aus. Peinlich.

Es ist nicht das erste Mal, dass Trump aus dem Nähkästche­n des Staatsappa­rats plaudert, um zu prahlen. Wer würde noch kategorisc­h ausschließ­en wollen, dass Trump im Überschwan­g seiner eigenen Bedeutung die Einsatzcod­es für die Atomwaffen preisgibt? Allmählich greift das Entsetzen über diesen Präsidente­n auch unter den Republikan­ern um sich. Aber bisher kleben die meisten von ihnen an der Macht und wagen keine offene Kritik. Ein Schweigen, das irgendwann mitschuldi­g macht. BERICHT

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