Rheinische Post Krefeld Kempen
„Kunst kann glücklich machen“
Die neue Direktorin der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf will die Häuser öffnen und mit anderen Sparten bereichern.
DÜSSELDORF Die Nachfolgerin von Marion Ackermann als Direktorin der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf überrascht mit neuen Ideen. Susanne Gaensheimer (50) will die Kommunikation verstärken, die Netzpräsenz erhöhen und neue Besucherschichten erobern. Außerdem denkt sie spartenübergreifend und kann sich vorstellen, Ballett oder Bands im Museum auftreten zu lassen. Angenommen, Sie dürften ein neues Museum bauen. Welche Areale erhielten am meisten Gewicht? GAENSHEIMER Platz für die Präsentation von Kunst haben wir genug. Man müsste mehr Fläche für andere Formate wie Bildung, Forschung oder Kunstvermittlung einrichten. Auch für eine andere Kunstvermittlung? GAENSHEIMER Ich denke an Interaktion mit ganz verschiedenen Gruppen der Bevölkerung. Besonders wichtig ist auch die Vermittlung im digitalen Raum. Dem Netz gehört die Zukunft, in der wir uns bewegen müssen. Nun werden Sie aber nur Umbaumeisterin. Brauchen Sie die drei Orte, K 20, K 21 und Schmela-Haus? GAENSHEIMER Entbehrlich ist keiner, jeder hat seine eigene Qualität. Was wir tun müssen: ihre Profile stärker herausbilden und diese auch stärker kommunizieren. Werden Sie mit Ihren neuen Ideen Staub aufwirbeln? GAENSHEIMER Das hoffe ich! Radikal sein? GAENSHEIMER Nein, das ist nicht meine Art. Aber wir wollen ein sehr zeitgenössisches, sehr internationales Programm machen. Dabei kann es passieren, dass das ein oder andere Thema, der ein oder andere Künstler Staub aufwirbelt. Wie wichtig sind für die Akzeptanz eines Museums Café und Shop? GAENSHEIMER Sehr wichtig! Der Besucher muss sich wohlfühlen vom ersten Moment an, schon von draußen muss er ins Haus hineingezogen werden. Der Shop muss mit seinem Angebot up to date sein. Wer das Museum betritt, muss sich orientieren können und wissen, was ihn in den einzelnen Häusern erwartet. Wie wollen Sie das künstlerische Potenzial der Stadt ausschöpfen? GAENSHEIMER Die Akademie ist einer der größten Trümpfe der Stadt. In Frankfurt haben wir sehr intensiv mit der Städelschule zusammengearbeitet. Ich möchte ein festes Format entwickeln in der Hoffnung, dass die Akademie Interesse hat. Mit Spitzenwerken der Klassischen Moderne alleine kann man heute kein Publikum mehr begeistern, was haben Sie mit der Sammlung vor? GAENSHEIMER Sie ist eine der paradigmatischen Sammlungen der westlichen Moderne. Heute, in einer Zeit, in der die globale Perspektive alle Lebensbereiche betrifft und durchdringt, müssen wir das Globale auf die Kunst beziehen, und wir müssen fragen: Womit können wir unsere Erzählung der Moderne noch ergänzen? Weckt diese Sammlung heute noch Seh-Begehrlichkeiten? GAENSHEIMER Man muss sehen, wie wir die Sammlung mit ihrer Aura von Unantastbarkeit, die sie zu Recht hat, zugänglicher machen können. Dabei schweben mir Maßnahmen vor wie Reduktion, Gegenüberstellung mit Gegenwartskunst und räumliche Auflockerung. Über allem steht die Frage: Wie kann man diesen sakrosankten Bereich der Klassischen Moderne öffnen? Das Wichtigste für Häuser wie das K 20 oder K 21 ist die Öffnung. Wir müssen uns öffnen! Besucherzahlen spielen eine Rolle ... GAENSHEIMER Die sind wichtig, aber sie dürfen nie das alleinige Argument werden. Wir wollen ein lebendiges Haus haben, ein Museum, in das die unterschiedlichsten Menschen gerne gehen, in dem wir Programme anbieten auch für Leute, die eher eine Scheu oder bisher keine Gelegenheit zum Museumsbesuch hatten. Aber wir sind natürlich auch für die Menschen da, die immer schon gerne gekommen sind. Wie gehen Sie auf Kinder und Jugendliche zu? GAENSHEIMER Die Kinder sind unsere Hoffnung. Ihr Zugang zur Kunst ist noch unverstellt. Eine größere Herausforderung sind die Jugendlichen, die schon zahlreiche Vorbehalte entwickelt haben. Das Museumsangebot muss in der riesigen Flut der digitalen Medien Sinn ma- chen, es muss etwas entgegensetzen. Die Landesgalerie sollte in der Museumslandschaft ein Flaggschiff sein. GAENSHEIMER Die Kunstsammlung NRW spielt in der Tat eine besondere Rolle, und das können wir noch stärker kommunizieren. Ich verstehe das aber nicht als etwas Elitäres. Ich sehe uns als einen Partner für die vielen anderen Häuser nicht nur in Düsseldorf, sondern in ganz NRW. Wir haben so gute Sammlungen hier, öffentliche und private. Dazu die anderen interessanten Kulturinstitute. Ich glaube, man kann viele spannende Synergien schaffen. Gerade in Düsseldorf hoffe ich sehr, dass wir über die Sparten hinweg kooperieren werden. Schläpfers Ballett im Ständehaus? GAENSHEIMER Das ist gar nicht gesponnen. Ich habe fest vor, die Piazza im K 21 für ein regelmäßiges performatives Programm zu nutzen. Oder Campino rockt auf der Piazza? GAENSHEIMER Ich begeistere mich total für dieses Spartenübergreifende, es ist eine große Bereicherung innerhalb der Grenzen und Formate, die die Kunst manchmal sehr einengen. Es bringt uns gar nicht weiter, in engen Kategorien zu arbeiten. Das Publikum liebt Blockbuster. Werden Sie das bedienen? GAENSHEIMER Warum nicht? Bei einem so großen und publikumsnahen Haus muss man eine gute Balance finden zwischen Ausstellungen, die in der Breite die Menschen ansprechen, und zwischen sehr anspruchsvollen Ausstellungen, die eher auf der wissenschaftlichen Ebene einen hohen Maßstab setzen. Sie verlassen in Frankfurt ein gut bestelltes Haus. Warum Düsseldorf ? GAENSHEIMER Wir haben uns als Familie Zeit gelassen, und es war ein schöner Prozess mit der Findungskommission. Ich hatte keinen Grund, aus Frankfurt wegzugehen. Aber es wurde mir klar, dass die Kunstsammlung ein ungeheures Potenzial hat. Dazu bietet sie eine perfekte Bühne für lebendige Kunstvermittlung, vielleicht die perfekteste in Deutschland. Museumschefs sind heute Manager mit hart getaktetem Zeitkorsett. Den Verlust von Weichheit beklagen Sie. GAENSHEIMER In der Funktion als Leiter einer großen Institution ist man sehr öffentlich, vielerlei Erwartungshaltungen kommen auf einen zu – seitens der Politik, der Freunde und Förderer, des Publikums und der Presse. Man macht nicht nur gute Erfahrungen, so entsteht eine Abhärtung – aber nicht selbstgewählt oder aus einer Attitüde heraus. Ich fände es schöner, wenn das nicht nötig wäre und versuche, es in meinem engen Umfeld, mit meinen Mitarbeitern, anders zu machen. Wie sieht Ihre erste Ausstellung aus? GAENSHEIMER Im Dezember soll im K 20 eine lebende Künstlerin zu Gast sein, keine Europäerin. Das wäre ein Traum, den ich schon in Frankfurt hatte. Dann wäre ich glücklich. ANNETTE BOSETTI FÜHRTE DAS GESPRÄCH.