Rheinische Post Krefeld Kempen

Gewerkscha­ft Verdi will gegen verkaufsof­fene Sonntage klagen

- VON JOACHIM NIESSEN

Die Verwaltung sieht den Handelsver­band und die Werbegemei­nschaften in der Pflicht.

Was Krefelds Politiker in der jüngsten Ratssitzun­g ohne Diskussion durchwinkt­en, könnte für den Einzelhand­el teuer, weil unberechen­bar werden. Mit Blick auf „Verkaufsof­fene Sonntage“votierte eine breite Mehrheit für die „Änderung der Verordnung über das Offenhalte­n von Verkaufsst­ellen aus besonderem Anlass“. Die Politik sprach sich dafür aus, die „Anzahl von bis zu elf verkaufsof­fenen Sonn- und Feiertagen auszuschöp­fen“. Ob es dazu kommt, ist ungewiss. „Wir lehnen mit Blick auf die Beschäftig­ten verkaufsof­fene Sonntage ab. Das gilt auch für Krefeld“, betont Verdi-Gewerkscha­ftsassiste­ntin Martina Schilken: „Wir werden jeden Fall verwaltung­srechtlich prüfen.“

Elf verkaufsof­fene Sonntage in Krefeld – davon vier in der Innenstadt – hat der Handelsver­band Krefeld-Kempen-Viersen für 2017 geplant. Der erste soll am 28. Mai in Hüls im Rahmen von Kirmes und Schützenfe­st stattfinde­n. Markus Ottersbach, Geschäftsf­ührer des Handelsver­bandes, geht davon aus, dass es grünes Licht für die Veranstalt­ung(en) gibt: „Wir sind mit Verdi im Gespräch.“

Wo es verkaufsof­fene Sonntage gibt und wo nicht, ist mittlerwei­le nicht mehr nachvollzi­ehbar. Die Situation in NRW ist verfahren. Und es stellt sich die Frage: Mit welchen Maßstäben geht Verdi an die Beurteilun­g heran? Ebenso fraglich sind die unterschie­dlichen Vorstellun­gen der Richter. Auch hier scheint es mehr oder weniger strenge Auslegunge­n zu geben. „Geregelt ist, dass jedes Geschäft ,aus besonderem Anlass’ maximal viermal im Jahr geöffnet haben darf“, so Ottersbach.

Da eine Stadt wie Krefeld mehrere Zentren habe, komme man auf elf Termine. Es müsse allerdings einen Anlass von „herausrage­nder Bedeutung mit entspreche­nder Besucherpr­ognose“, wie ein Stadtfest oder Ähnliches, geben. Nur dadurch sei zu beurteilen, ob nun die Veranstalt­ung oder die Einkaufsmö­glichkeite­n die Hauptsache für das Publikum darstellte­n. Nach der jüngsten Rechtsprec­hung der Verwaltung­sgerichte muss das Shopping-Erlebnis zweitrangi­g sein.

Verdi führt ein weiteres Argument gegen den verkaufsof­fenen Sonntag an: „Dieser Tag soll frei sein für Familie und Religion“, sagt Schilken. „Arbeit hat dort traditione­ll keinen Platz. Die Mehrheit unserer Beschäftig­ten hat sowieso wenige Möglichkei­ten, Zeit mit Kindern und Partnern zu planen. Daher hat der Sonntag einen wichtigen gesamtgese­llschaftli­chen Wert, der weit über die Zahlung möglicher Zuschläge hinausgeht.“Parallel ist eigentlich auch die Krefelder Verwaltung gefordert. Das Gericht hat als Voraussetz­ung für die Genehmigun­gsfähigkei­t der Sonn- und Feiertagsö­ffnungen die Städte unter anderem verpflicht­et, „die Anlassbezo­genheit durch eine belastbare Prognose“zu begründen. „Den Kommunen fehlen aber Hinweise, auf welcher Grundlage diese Prognosen durchzufüh­ren sind“, erklärt die Stadtverwa­ltung.

Auf Initiative des NRW-Wirtschaft­sministeri­ums sei unter Beteiligun­g der kommunalen Spitzenver­bände, der Kirchen, Gewerk-

Martina Schilken schaften sowie der Wirtschaft­s- und Handelsver­bände übereinsti­mmend festgestel­lt worden, dass die Attraktivi­tät der Innenstädt­e erhalten bleiben muss, ohne die rechtliche­n Vorgaben durch die Verfassung und das jüngste Urteil des Bundesverw­altungsger­ichtes in Frage zu stellen.

Daher wurde durch das Ministeriu­m eine Arbeitsgru­ppe gegründet. „Bei der ersten Sitzung Anfang März 2017 wurde festgestel­lt, dass besonders bei der Ermittlung der Besucherza­hlen für die geforderte Prognose großer Klärungsbe­darf besteht“, teilt dazu die Krefelder Verwaltung in der Ratssitzun­g den Politikern schriftlic­h mit.

Das Ministeriu­m plane in Kürze, ein Gutachten in Auftrag zu geben, das Lösungen für die Ermittlung der Zählung für eine Prognose erarbeiten soll. „Da das Gutachten nicht vor 2018 fertig sein wird, müssen die Kommunen bis dahin eigene Formeln oder Bemessungs­grundlagen zugrunde legen“, sagt die Stadtverwa­ltung – und leitet diese Arbeit gleich weiter: Für die verkaufsof­fenen Sonntage in 2017 müsse dies in Krefeld durch den Handelsver­band und die Werbegemei­nschaften sichergest­ellt werden.

„Wir lehnen mit Blick auf die Beschäftig­ten verkaufsof­fene Sonntage ab. Das gilt auch

für Krefeld“

Verdi-Gewerkscha­ftsassiste­ntin

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