Rheinische Post Krefeld Kempen
ANALYSE Die
FDP in Nordrhein-Westfalen hat ein paar irritierende Pirouetten gedreht, ehe sie in die Koalitionsgespräche mit der CDU fand. Das mag strategisch zu erklären sein, aber Zögerlichkeit in der Politik ist verderblich. Fast immer jedenfalls.
machte, einfach abperlen lassen, statt ihren Stil zu ändern.
Freilich ist Schnelligkeit auch nicht immer hilfreich. Bei der Energiewende 2011 nach der Fukushima-Katastrophe war Merkel blitzschnell – was ihr viele heute als Voreiligkeit ankreiden. Wieder anders liegt der Fall, der unauflöslich mit Merkels Kanzlerschaft verbunden bleibt: Zwar geschah auch die Grenzöffnung für die Flüchtlinge 2015 rasch, unter dem Druck dramatischer Ereignisse. Worüber sich aber die Republik dann bis aufs Blut zerstritt, war weniger dieser Akt als das Zaudern der Regierung in den Monaten danach, die Kontrolle über die Grenzen zurückzugewinnen.
Das Problem des Krisenmanagements ist ja meist nicht die Krise selbst, sondern der Umgang mit ihr, wie 2015. Zaudern, auch etwa das verzögerte Preisgeben von Informationen in Affären aller Art, heißt dann Salami-Taktik – und führt nicht selten in politische Lebensgefahr, siehe Christian Wulffs ungeschickten Umgang mit einer eigentlich läppischen Hauskredit-Sache.
Und Helmut Kohl? Der das „Aussitzen“als politische Technik praktisch erfunden hat? Auch er steht in den Geschichtsbüchern, weil er einmal beherzt zupackte, als sich die Möglichkeit der deutschen Einheit ergab. Innenpolitisch ist Kohls Bilanz weniger glorios – das „Wort des Jahres“1997, ein Jahr vor Kohls Abwahl, lautete „Reformstau“.
Nun kommt eine Gelegenheit wie die Einheit vielleicht einmal in 100 Jahren. Aber sie kam so unverhofft wie (im viel kleineren, landespolitischen Maßstab) die Chance auf Schwarz-Gelb. Der Politbetrieb des Jahres 2017 gleicht in der Schnelligkeit des Informationsflusses und der Aufregungszyklen einer Autobahn. Man kann das verurteilen, man muss jedoch damit umgehen. Auf der Autobahn aber gilt: Wer zögert, kommt nicht mit und läuft Gefahr, zum gefährlichen Hindernis zu werden.
Das ist keine Aufforderung zum Rasen, aber eine Warnung vor Schleicherei und vor Unentschlossenheit, etwa beim Überholen. Christian Lindner ist Liebhaber schneller Autos. Das mit dem Überholen dürfte ihm was sagen.