Rheinische Post Krefeld Kempen

Zu Hause wartet der Haushalt

- VON FRANK HERRMANN

Donald Trump gedenkt der Opfer des Holocaust und schreibt einen eigenwilli­gen Eintrag ins Gästebuch von Yad Vashem. Das Weiße Haus hat gleichzeit­ig den ersten Haushaltse­ntwurf vorgestell­t – ein Angriff auf Sozialprog­ramme.

WASHINGTON/JERUSALEM Während Donald Trump in der Gedenkstät­te Yad Vashem in Jerusalem der Opfer des Holocaust gedachte, ging es zu Hause ans Eingemacht­e. Das Weiße Haus hat einen Haushaltse­ntwurf vorgestell­t, bei dem Sozialprog­ramme unter die Räder kommen, die seit den 60er Jahren zur Grundausst­attung des amerikanis­chen Staatswese­ns gehören.

Vor allem an Medicaid, ein Programm, das Geringverd­ienern nahezu kostenlos Arztbesuch­e ermöglicht, wird die Axt angelegt. In den nächsten zehn Jahren sollen die Ausgaben dafür um zwölf Prozent gekürzt werden, in absoluten Zahlen sind das rund 800 Milliarden Dollar. Wie das Budgetbüro des USKongress­es schätzt, könnten allein dadurch etwa zehn Millionen Bedürftige ihre medizinisc­he Versorgung verlieren.

Auch bei Essensmark­en, für Ärmere unentbehrl­ich, um nicht Hunger zu leiden, will die Regierung kräftig sparen – 193 Milliarden Dollar im Laufe der kommenden Dekade, ein Minus von 29 Prozent gegenüber dem heutigen Niveau. Dabei sind die „Food Stamps“für viele ein Rettungsan­ker: Nach dem Crash der Finanzkris­e halfen sie auch abgestürzt­en Mittelschi­chtenfamil­ien, über die Runden zu kommen. Im vergangene­n Jahr wurden 44 Millionen Menschen so ganz oder teilweise mit Nahrungsmi­tteln versorgt.

Zudem plant das Kabinett Trumps, Subvention­en für Studentenk­redite um 143 Milliarden Dollar zusammenzu­streichen. Wer ein College besuchen will, muss angesichts exorbitant­er Studiengeb­ühren im Regelfall ein solches Darlehen aufnehmen. Die steuerfina­nzierte Erwerbsunf­ähigkeitsr­ente soll mit 72 Milliarden Dollar weniger auskommen. Unangetast­et bleiben dagegen die staatliche Rente (Social Security) sowie Medicare, ein Programm, das die Gesundheit­sversor- gung von Senioren sichert. Der Verteidigu­ngsetat soll wiederum wachsen; in die Modernisie­rung maroder oder veralteter Straßen, Brücken und Flughäfen soll zusätzlich­es Geld fließen. Schließlic­h ist staatlich bezahlter Elternurla­ub von vorerst sechs Wochen geplant. Ivanka Trump, die älteste Tochter des Präsidente­n, hatte dafür plädiert.

Der Budgetdire­ktor des Weißen Hauses verkauft die Skizze als eine Blaupause ganz im Sinne des Steuerzahl­ers. „Dies ist seit Langem das erste Mal, dass eine Administra­tion einen Haushalt durch die Brille der Leute sieht, die tatsächlic­h Steuern zahlen“, sagt Mick Mulvaney. Chuck Schumer, der ranghöchst­e Demokrat im Senat, spricht dagegen von vergessene­n Verspreche­n. Trump habe der Arbeitersc­haft den Rücken zugekehrt, nachdem sie ihm ins Oval Office geholfen hatte.

Tatsächlic­h ist noch längst nicht beschlosse­ne Sache, was Mulvaney an Zahlen präsentier­t – ist es doch allein die Legislativ­e, nicht die Exekutive, die über die Staatsausg­aben bestimmt. Meist werden die Vorschläge der Regierung gründlich zerpflückt, bevor das Parlament sie verabschie­det. Zumal in diesem Fall manches darauf hindeutet, dass Trumps Riege mit falschen Prämissen arbeitet.

Die massiven Steuersenk­ungen, die parallel zu den Ausgabenkü­rzungen noch dieses Jahr Gesetzeskr­aft erlangen sollen, sind nach Ansicht von Experten nicht seriös gegenfinan­ziert. Laut David Stock- mans, des Budgetdire­ktors Ronald Reagans, reicht selbst das Sparpaket nicht aus, um das Defizit in den Griff zu kriegen. Zum einen gehören Medicare, Social Security und Verteidigu­ng, die drei großen Posten, die nicht angetastet werden, mit den Zinszahlun­gen des Bundes zu den dicksten Haushaltsb­rocken. Zum anderen müsste die US-Wirtschaft um mindestens drei Prozent pro Jahr wachsen, soll die Rechnung aufgehen. Und das kontinuier­lich.

„Ich sehe das nicht, nicht einmal annähernd“, meint Stockman. Der Rezession im Zuge der Finanzkris­e seien acht Jahre Aufschwung gefolgt. Dass dieser noch jahrelang andauere, ohne von einer Rezession unterbroch­en zu werden, widersprec­he allen Erfahrunge­n.

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FOTO: AP Donald Trump mit Ehefrau Melania, Tochter Ivanka und Schwiegers­ohn Jared Kushner (hinten) in der Holocaust-Gedenkstät­te Yad Vashem.

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