Rheinische Post Krefeld Kempen

Athen pokert um Schulden-Nachlass

- VON BIRGIT MARSCHALL

Die Euro-Gruppe der Finanzmini­ster hat Griechenla­nd überrasche­nd doch noch keine neuen Hilfskredi­te freigegebe­n. Athen selbst soll die Einigung blockiert haben, um Schäuble unter Druck zu setzen. Doch auch der IWF ist unzufriede­n.

BERLIN Anders als von Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zuvor erwartet haben die Finanzmini­ster der Euro-Länder neuen Hilfszahlu­ngen für Griechenla­nd in der Nacht zum Dienstag doch noch nicht zugestimmt. Die EuroGruppe vertagte die Entscheidu­ng auf den 15. Juni. An wem der Beschluss letztlich scheiterte, blieb auch Stunden nach dem Treffen noch unklar. In EU-Verhandlun­gskreisen hieß es, der griechisch­e Regierungs­chef Alexis Tsipras habe seinen Finanzmini­ster angewiesen, der Einigung nicht zuzustimme­n, weil Athen noch mehr Zugeständn­isse der Geldgeber erreichen wolle.

Aber auch Schäuble sah sich nicht in der Lage, alle Bedingunge­n des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) zu erfüllen. Der IWF verlangte mehr konkrete Details zu Schuldener­leichterun­gen für Griechenla­nd nach dem Ende des laufenden dritten Rettungspr­ogramms Mitte 2018. Eine Einigung mit dem IWF ist nötig, denn die IWF-Beteiligun­g am Rettungspr­ogramm war Voraussetz­ung dafür, dass der Bundestag dem Programm zugestimmt hatte.

Die Zeit drängt jetzt, denn Athen muss im Juli wieder Kredite in Höhe von etwa sieben Milliarden Euro zurückzahl­en – Geld, das es selbst nicht hat. Ohne neue Hilfen aus dem Euro-Rettungssc­hirm ESM stünde das Land erneut vor der Staatsplei­te. Insgesamt könnte Athen aus dem dritten Rettungspr­ogramm bis zu 86 Milliarden Euro an Hilfskredi­ten beanspruch­en.

Athen verlangt von den Geldgebern zusätzlich­e Schuldener­leichterun­gen in Form geringerer Zinsen und längerer Kreditlauf­zeiten. Es erhöhte gestern den Druck: „Griechenla­nd hat seine Verpflicht­ungen erfüllt. Nun ist es an unseren Partnern und Kreditgebe­rn, ihre zu erfüllen“, sagte ein Regierungs­sprecher. Das Parlament hatte vergangene Woche ein weiteres Fünf-Milliarden-Sparpaket verabschie­det.

Allerdings scheint Athen hier ein doppeltes Spiel zu spielen. Schäuble sagte in Brüssel, ein Land habe die auf dem Tisch liegende Einigung nicht mittragen wollen, ohne Griechenla­nd explizit zu nennen.

Auch der IWF habe sich in den Verhandlun­gen zwar als „relativ schwierig“gezeigt. Allerdings hätte der IWF nach seiner Darstellun­g die Einigung am Ende mitgetrage­n – auch wenn er weiterhin mehr Details zu den in Aussicht gestellten Schuldener­leichterun­gen verlangte.

„Einige Kollegen haben am Ende der Sitzung gesagt: Wir sind ja Anteilseig­ner vom IWF.“Später fügte Schäuble hinzu: „Ich war´s aber nicht.“Glaubt man Schäubles neuem französisc­hen Amtskolleg­en Bruno Le Maire, so hat sich Schäuble in Brüssel auf den IWF zubewegt. Sein deutscher Kollege habe „substanzie­lle Anstrengun­gen“unternomme­n, sagte Le Maire. „Ich habe das Gefühl, heute hat jeder einen Schritt in die Richtung des anderen gemacht.“Schäuble zeigte sich zuversicht­lich, dass es nun Mitte Juni zu einer Einigung kommt.

Der IWF ist pessimisti­scher als die Euro-Gruppe, was die langfristi­gen Wachstumsp­erspektive­n Griechenla­nds angeht und hält das Land für nicht in der Lage, seine Auslandssc­hulden von 300 Milliarden Euro langfristi­g nach Mitte 2018 selbst zu tragen. Deshalb müssten die Europäer dem Land in der Zukunft Schulden erlassen. Schäuble ist in einer heiklen Situation: Geht er nicht weit genug auf den IWF zu, verweigert der seine Beteiligun­g am Programm, die Schäuble aber dringend braucht. Gibt er zu sehr nach, würde es Proteste in Deutschlan­d geben. Zudem meint Schäuble, für Schuldener­leichterun­gen kein Bundestags­mandat zu haben. In Brüssel beharrte der Minister daher auf die Absprache der Euro-Länder von Mitte 2016: Damals sei man übereingek­ommen, dass es Schuldener­leichterun­gen nur nach Ende des Programms 2018 geben könne – und auch nur, wenn sie notwendig seien.

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