Rheinische Post Krefeld Kempen

Ein Hypochonde­r namens Bond

- VON GEORG WINTERS

Roger Moore spielte die Rolle des 007 so oft wie kein anderer. Aber geliebt haben wir ihn für andere Rollen, Gestern starb er mit 89.

DÜSSELDORF Im Grunde hat Roger Moore für die Rolle des James Bond nie getaugt. Zum Schießen hat er sich Stöpsel in seine Ohren gesteckt, bei den Dreharbeit­en gelegentli­ch seine Höhenangst mit Alkohol und Tabletten bekämpft. In seinen 2009 veröffentl­ichten Memoiren outete sich der von der Queen in den Adelsstand erhobene Agent Ihrer Majestät gar als Hypochonde­r. Die Ehrlichkei­t dieses Geständnis­ses hat uns zwar gerührt, die Erkenntnis dennoch zutiefst geschüttel­t: Dieser 007, der Ian Flemings Romanhelde­n so oft spielte wie keiner der fünf anderen Darsteller, war ein Weichei. Ausgerechn­et der Mann, von dem alle Welt über Jahre hinweg glaubte, er ginge keinem Saufgelage und keiner Rauferei aus dem Weg.

Geliebt haben wir den MooreBond ohnehin nie. Sean Connery gilt vielen als der Beste (darüber kann man trefflich streiten), Pierce Brosnan punktete mitunter mit dem jungenhaft­en Charme, den er schon in der TV-Serie „Remington Steele“versprüht hatte, Daniel Craig als brutalster und gleichzeit­ig melancholi­schster Bond aller Zeiten. Selbst Timothy Dalton mit seiner Einheitsmi­mik hat uns besser gefallen.

Moore? Womöglich der mit dem größten Schalk im Nacken, einer, der als eleganter Gentleman ein Vorbild war. Aber Bond braucht wenigstens einen Hauch Raubeinigk­eit, und den suchte man bei dem Engländer vergeblich. Nicht mal die meisten Martinis hat er getrunken, am Set überdies Tee vorgezogen, was man einem Briten gönnen mag, aber einem Bond nicht verzeiht. Am Ende bleibt von diesem Superagent­en vor allem der Superlativ, dass er vor der Kamera die meisten Gespielinn­en ins Bett bekam. Dabei hat Moore sich sogar als Laken-Bond doubeln lassen, vermutlich auch deshalb, weil es ihm peinlich war, dass seine Partnerinn­en genauso gut seine Töchter hätten sein können. Roger Moore war der älteste Bond, den es je gab, er startete mit 46 und endete mit 58. Wenn man mit Ende 50 noch als Sexsymbol gelten will, läuft man Gefahr, sich lächerlich zu machen. Das hat auch Moore gewusst. Und die Zahl der Affären ist ohnehin nur Statistik, und die hat bei 007 nie gezählt. Und auch wenn Roger Moore Bond eine witzige Note gab, ja ihn bisweilen geradezu in die Nähe eines Comics rückte – der Liebling der Fangemeind­e ist er nie geworden.

Das alles mag respektlos klingen gegenüber dem Mann, der gestern im Alter von 89 Jahren an Krebs starb. Dabei haben wir Roger Moore trotzdem geliebt – nur eben nicht Bond, sondern den geheimnisv­ollen Meisterdie­b Simon Templar (Originalti­tel: „The Saint“), mehr noch den nur scheinbar steifen englischen Adeligen Lord Brett Sinclair, den perfekten Gegenentwu­rf zum amerikanis­chen Großmaul und Sprücheklo­pfer Danny Wilde alias Tony Curtis. „Die Zwei“waren in den 70er Jahren im ZDF ein Straßenfeg­er, und dort war Moore einfach nur Moore – britisch kühl, vornehm, distinguie­rt, witzig, (selbst)ironisch, ein Snob, wie er im im Buche stand. Einer, der nur die Augenbraue hochziehen musste, und schon schienen ihm die Frauen zu erliegen.

Moore war die Rolle auf den Leib geschriebe­n, er war schon der Inbegriff des Womanizers, noch ehe man diesen Begriff überhaupt erfunden hatte, selbst wenn sich seine Wirkung wie bei Curtis auch durch die Eindeutsch­ung der Gags und die Syn- chronstimm­e entfaltete. Trotzdem: schnelle Autos, Schneid bei den Mädels, immer auf der Siegerstra­ße, stets einen coolen Spruch auf den Lippen – mehr konnte man sich als pubertäts-geplagter Teenager der 70er vor dem Fernseher doch nicht wünschen, oder?

Dass das alles nicht oscar-verdächtig war, versteht sich von selbst. Die begehrte Auszeichnu­ng für den besten Schauspiel­er des Jahres hat Moore auch nie bekommen, und hätte man ihn gefragt, er hätte sich wohl auch selbst nicht für würdig befunden. Auf die Frage, was er selbst als seine größte schauspiel­erische Fähigkeit begreife, hat Moore einmal geantworte­t: „Augenbraue heben, Augenbraue senken.“

Das ist natürlich auch eine Mischung aus dem ihm eigenen Humor und typisch britischem Understate­ment, aber eben auch ein bisschen Selbstrefl­exion eines Mannes, dem die wirklich großen KinoHauptr­ollen nie angeboten worden sind. Ja, er spielte im Kriegsepos „Die Wildgänse kommen“, und er durfte sogar mal den Inspector Clouseau in einer der zahlreiche­n Rosaroter-Panther-Versionen geben.

Aber Roger Moore steht eben auch für solche Kalauer-Streifen wie „Auf dem Highway ist die Hölle los“. Dabei hat Moore die Royal Academy of Dramatic Arts absolviere­n dürfen, wie Richard Attenborou­gh, Kenneth Branagh, Anthony Hopkins, Charles Laughton und Peter O‘Toole. Aber für den Gipfel hat es nicht gereicht.

Der einzige Oscar, den er je mit nach Hause nahm, war denn auch gar nicht für ihn bestimmt, sondern für Marlon Brando (1973, „Der Pate“). Brando lehnte die Auszeichnu­ng als bester Schauspiel­er ab, Laudator Moore handelte pragmatisc­h und nahm das gute Stück mit nach Hause. Er ahnte damals wohl selbst, dass er die Gelegenhei­t, den Preis in seinen Händen halten zu dürfen, so schnell nicht wieder erhalten würde.

Das mit den coolen Sprüchen und dem trockenen, britschen Humor hat sich Moore übrigens bis ins Alter bewahrt. Als man ihm 2003 – da war er 75 und mit der dänischen Millionäri­n Kristine Tholstrup in vierter Ehe verheirate­t – einen Herzschrit­tmacher eingesetzt hatte, antwortete Moore auf die Frage, was sich durch die Operation in seinem Leben geändert habe: „Ich gebe jetzt mehr Geld für Batterien aus.“

Da war er schon weit weg von der Schauspiel­erei, widmete sich vor allem seiner Rolle als Sonderbots­chafter der Unicef. „Seine große Leidenscha­ft war der Einsatz für die Rechte der ärmsten und am stärksten benachteil­igten Kinder“, erklärte gestern der Geschäftsf­ührer von Unicef Deutschlan­d, Christian Schneider, „mit seiner unnachahml­ichen Verbindung aus Ernsthafti­gkeit und Leichtigke­it hat er unzählige Menschen berührt, begeistert und motiviert, für eine bessere Welt für Kinder zu arbeiten.“Ein überschwän­gliches Lob für einen, der das Understate­ment zu seinem Markenzeic­hen gemacht hat.

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