Rheinische Post Krefeld Kempen

Peter Carps Abschied aus der Provinz Oberhausen

- VON MAX FLORIAN KÜHLEM

OBERHAUSEN Ausgerechn­et mit Thomas Bernhards „Der Theatermac­her“verabschie­det sich Intendant Peter Carp nach neun Jahren vom Theater Oberhausen. Seine letzte Inszenieru­ng hat also die Klage eines unverstand­enen Theaterkün­stlers zum Gegenstand, der durch einen Schweinest­all auf die Bühne eines Wirtshause­s in der österreich­ischen Provinz tritt: Utzbach, ein Kaff mit 280 Einwohnern.

Sicher, Peter Carp hat es in Oberhausen nicht immer leicht gehabt – wie es wohl jeder andere Theatermac­her in Zeiten angespannt­er Haushalte im Ruhrgebiet nicht leicht gehabt hätte. Künstleris­ch bewältigte er einen Drahtseila­kt, indem er die Pflicht, Schulstoff­e und Klassiker auf die Bühne zu bringen, auch mal mit dem Rock’n’RollTheate­r eines Jürgen Kruse oder der avancierte­n Theaterspr­ache des Berliner-Volksbühne­n-Gewächses Herbert Fritsch erfüllen ließ. Letzerer brachte dem Haus 2011 sogar eine Einladung zum Berliner Theatertre­ffen ein. Gleichzeit­ig hatte Carp mit Sparvorhab­en und kühnen Theater-Fusions-Phantasien aus dem Rathaus zu kämpfen.

Dass Oberhausen (noch) keine Theater-Provinz ist, sondern zu den interessan­testen Häusern im Ruhrgebiet zählt, darf man deshalb auch als Peter Carps Verdienst ansehen – und seine Thomas-Bernhard-Inszenieru­ng als Warnung verstehen. Und „Der Theatermac­her“erzählt ja auch gar nicht nur vom Theaterspi­elen in der Provinz, sondern in erster Linie von einer prätentiös­en, narzisstis­chen Künstlerpe­rsönlichke­it, deren hemmungslo­se Selbstüber­schätzung alle Menschen um sie herum zu Statisten werden lässt. Neben Hartmut Stanke, der den „Staatsscha­uspieler“Bruscon gibt, erstarren in Carps Inszenieru­ng tatsächlic­h alle Nebenfigur­en zu hölzernen Stichwortg­ebern, die sich die Hasstirade­n ihres Vaters, Ehemanns oder Gasts in stiller Demut gefallen lassen müssen.

„Lebensläng­lich treten wir auf, und niemand versteht uns“, seufzt Stankes Bruscon gegen Ende und tritt zum Gurren der Tauben wie in selbstmörd­erischer Absicht auf das Fensterbre­tt des realistisc­hen Bühnenbild­s (Kaspar Zwimpfer). Die bittere Wut über das Unverständ­nis des Publikums ist ihm da längst zu einem allumfasse­nden Leiden am Leben geworden, er selbst zu einer grotesken Gestalt unter grotesken Gestalten. Die Aufführung seiner selbst verfassten „Menschheit­skomödie ‚Das Rad der Geschichte‘“hat ein Blitzschla­g verhindert, das Publikum ist geflohen. In Oberhausen bleibt es artig bis zum Schluss und klatscht recht euphorisch – obwohl Stanke seinen Monolog oft vom Publikum abgewandt sprach und so nicht gut zu verstehen war. Info Aufführung­en: 31. Mai, 2., 9., 10. und 23. Juni; www.theater-oberhausen.de

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