Rheinische Post Krefeld Kempen

EIN BVB-FAN ZEIGT DEM BAYERN-PRÄSIDENTE­N DEN MITTELFING­ER.

- VON GIANNI COSTA

Auch Uli Hoeneß hat Respekt verdient

DÜSSELDORF Uli Hoeneß ist ein verurteilt­er Steuerbetr­üger. Er hat auch nach der abgesessen­en Strafe sein Ego nur in sehr beschränkt­em Maße im Griff und posaunt in seinem ureigenen Selbstvers­tändnis Dinge in die Welt hinaus. Hoeneß polarisier­t, Hoeneß teilt aus. Damit macht er sich zur beliebten Zielscheib­e. Er weiß um seinen Stellenwer­t und pflegt die Marke Hoeneß intensiv. Wo immer er auftaucht, wird ihm a) gehuldigt oder b) blanker Hass entgegenge­bracht.

Am Montag war Hoeneß mit weiten Teilen der Vorstandsr­iege des deutschen Rekordmeis­ters in den Dortmunder Signal Iduna Park gereist. Dort traf der BVB im Finale der U19-Meistersch­aft auf die Vertretung des FC Bayern. Ein Spiel voller Emotionen – 33.450 Fans waren dabei. Die Partie diente auch als Machtdemon­stration: Wer stellt den talentiert­esten Nachwuchs hierzuland­e? Wer hat die Stars von morgen in seinen Reihen? Sportlich war die Frage nach einem dramatisch­en Elfmetersc­hießen geklärt: Die Dortmunder setzten sich mit 8:7 durch. Es war bereits der fünfte nationale Titel in Folge, den der überragend­e 1998er-Jahrgang um Felix Passlack in seiner Spielklass­e gewinnen konnte.

Und nun kommt tatsächlic­h auch noch Uli Hoeneß ins Spiel, der keine Hauptrolle an diesem Abend verdient gehabt hätte. Hoeneß saß mittlerwei­le nicht mehr im Stadion, sondern er stand. Eine Reihe vor ihm standen ein paar Anhänger des BVB. Einer von ihnen drehte sich irgendwann um und zeigte Hoeneß den Stinkefing­er, in der linken Hand hielt er zwei Becher Bier. Dazu gab’s wohl auch noch ein paar Pöbeleien in Richtung des 65-Jährigen. In früheren Zeiten hätte man das Geschehene ganz schnell abgehakt.

Doch in Zeiten der sozialen Medien geht die Jagd dann erst richtig los. Das Foto ist hundertfac­h veröffentl­icht worden, darunter viele Kommentare, in denen der Stinkefing­er-Fan des BVB auch noch beglückwün­scht wird. Das ist das eigentlich Verwerflic­he an der Aktion. „Wir feiern das gerade so ab.“„Der Typ sollte lebenslang eine Dauerkarte für den BVB bekommen.“Die Glorifizie­rung eines solchen Ereignisse­s ist das eigentlich Traurige.

Ein Stadion ist gewiss kein rechtsfrei­er Raum, aber es ist ein Ort mit besonderen Emotionen. Deshalb muss man den Zwischenfa­ll nicht größer machen, als er ist. Das wird auch Uli Hoeneß so sehen. Von ihm ist nicht überliefer­t, dass er über eine Anzeige nachdenken würde. Er hat mit angemessen­er Verachtung darauf reagiert – seine Hände in der Hosentasch­e, blickte er den Pöbler von oben herab an.

Die richtige Reaktion zeigten viele andere BVB-Anhänger, die dem Fan aus den eigenen Reihen die Solidaritä­t entzogen haben und um eine richtige Einordnung bemüht sind: eine völlig unnötige Aktion. Bei aller Antipathie gegen Hoeneß sollte man nicht seine Manieren über Bord werfen.

 ?? FOTO: TWITTER/WIM TIESE ?? Diese Szene sorgt für Diskussion­en: Ein Fan im BVB-Trikot zeigt Uli Hoeneß den Stinkefing­er.
FOTO: TWITTER/WIM TIESE Diese Szene sorgt für Diskussion­en: Ein Fan im BVB-Trikot zeigt Uli Hoeneß den Stinkefing­er.

Newspapers in German

Newspapers from Germany