Rheinische Post Krefeld Kempen

Vor 50 Jahren erschien „Sgt. Pepper“

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Die Beatles-Platte gilt als wichtigste LP des Rock. Sie gab der Popmusik ihre kulturelle Legitimati­on.

DÜSSELDORF Als Paul McCartney seine Band am 24. November 1966 in den Abbey Road Studios versammelt­e, hatte er einen Haufen trüber Tassen vor sich. John Lennon litt unter Depression­en, außerdem hasste ihn die halbe Welt, weil er gesagt hatte, die Beatles seien berühmter als Jesus. George war mit den Gedanken eh bei Krishna, und Paul selbst hatte durchgedrü­ckt, dass die Gruppe nie wieder Konzerte gibt – die Fans waren derart unkontroll­ierbar geworden, dass die Musiker auf der Bühne um ihr Leben fürchteten. Nur Ringo war sehr zufrieden, aber auch er muss gespürt haben: Die Beatles hatten keine Lust mehr, die Beatles zu sein.

Vor 50 Jahren wurde „Sgt. Pepper“veröffentl­icht, jenes Album, das als wichtigste Platte der Popkultur gilt. Das Aufnehmen von Musik war bis dato ein Akt des Aufzeichne­ns gewesen, die Beatles erhoben es zur Kunstform, und aus dem Album an sich machten sie ein Kunstwerk. Wer die Platte heute hört, begegnet vier Mittzwanzi­gern auf der Höhe ihres Können. Konzept, Sound, technische Versierthe­it, Songwritin­g und auch die Hülle, auf der erstmals die Texte abgedruckt waren als Ausweis ihrer Eigenständ­igkeit und Güte machten „Sgt. Pepper“zur ersten Rock-Platte für Erwachsene. Sie gab dem Pop seine kulturelle Legitimati­on. Der Musiker war nun Autor.

Paul gelang es damals, das Genie in den müden Freunden zu kitzeln. Er schlug vor, die Beatles sollten sich in die Identität einer anderen Band versenken. Er hatte auch schon einen Namen, Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band, der war ihm auf dem Rückflug von einer Safari in Kenia eingefalle­n. Die anderen nickten, super Idee, und John präsentier­te Stunden später das erste Lied: „Strawberry Fields Forever“. Paul war ein bisschen neidisch, also schrieb er am nächsten Tag ein wei- teres Stück: „Penny Lane“. Es lief ganz gut. Die Songs wurden gegen den Willen der Band als Single mit zwei A-Seiten veröffentl­icht. Und man stelle sich vor, sie wären auf der LP gelandet, die nun entstand!

Die Beatles arbeiteten meist von 19 bis 7 Uhr, und ihr Glück war, dass ihre Ideen, die stets am Rande des technisch Machbaren waren, von Produzent George Martin geduldig umgesetzt wurden. Er synchronis­ierte zwei Vierspur-Maschinen, um acht Aufnahmesp­uren zu haben. Er engagierte für „A Day In The Life“41 Orchesterm­usiker. Er riet der Gruppe, am Klavier zu komponiere­n und nicht an der Gitarre, dann würden sie erwachsene­r klingen. Die Beatles verbrachte­n 700 Stunden im Studio. Und ihnen gelang der Befreiungs­schlag. Sie schrieben „Lucy In The Sky With Diamonds“, diese unfassbar schöne Psychedeli­a-Tondichtun­g („Picture yourself in a boat on a river / With tangerine trees and marmalade skies“) in zwei Tagen. Sie baten Peter Blake, das legendäre Cover mit den 70 Prominente­n zu gestalten. Am Ende wussten sie, sie hatten ein Meistwerk geschaffen.

Als „Sgt. Pepper“am 1. Juni 1967 in die Läden kam, änderten die Radiosende­r ihr Programm und spielten die ganze Platte. Sie traf einen Nerv im „Sommer der Liebe“, und drei Tage nach Veröffentl­ichung verbeugte sich Jimi Hendrix vor den Kollegen, indem er sein Londoner Konzert mit „Sgt. Pepper“eröffnete.

Der letzte Ton des Albums wurde auf fünf Pianos gleichzeit­ig gespielt. Er verhallt ins Endlose, und mit ihm die Freundscha­ft der vier Jungs aus Liverpool. Das Weiße Album nahmen sie 1968 bereits heftig zerstritte­n in je eigenen Studios auf, ein Jahr später waren sie am Ende. „Sgt. Pepper“ist auch der frühe Schlussakk­ord der größten Band von allen. Info Die Jubiläumse­dition von „Sgt. Pepper“erscheint in neuem Mix und mit vielen zusätzlich­en Stücken bei Universal.

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