Rheinische Post Krefeld Kempen

„Good Bye, Lenin“nur mit Alzheimer

- VON MARTINA STÖCKER

In der rührenden ARD-Komödie schafft eine Familie für die demenzkran­ke Oma die Welt ihrer Jugend.

WIEN Enkel Jojo trägt auf dem Polohemd einen Post-it-Zettel mit „Lieblingse­nkel“drauf, sein Vater Thomas seinen Namen und „einziger Sohn“. Es gibt viele Post-it-Zettel in der Wohnung von Erika (Gisela Schneeberg­er) und Ehemann Hartmut (Erwin Steinhauer), denn Erika hat Alzheimer und steht orientieru­ngslos in ihrem Leben. Ihr Mann kümmert sich nach 40 Jahren Ehe rührend um sie. „Komm, ich bring dich ins Bett!“, sagt er. „Wer sind Sie, ich will nicht mit Ihnen ins Bett“, antwortet sie. „Sie sind mir zu alt und schrumpeli­g.“

Dass aus diesem schweren und ernsten Thema trotzdem eine Komödie geworden ist, ist dem Drehbuch von Uli Brée und den beiden Hauptdarst­ellern zu verdanken. Schneeberg­er spielt die der Welt entrückte Frau. Star des Films ist aber Erwin Steinhauer, der den grantigen Mann mit großem Herz wunderbar verkörpert – verletzlic­h und zugleich kämpferisc­h. Denn eines Tages entdeckt Hartmut, dass sich die rastlose Unruhe seiner Frau gibt, wenn sie die Musik ihrer Jugend hört und sich mit alten Möbeln und Fotos umgibt. „Für Dich dreh ich die Zeit zurück“, sagt er – so lautet auch der Titel des ARD-Films – und dekoriert mit Hilfe seiner Enkelin Helena das Haus wie in den 70ern um. Dann zwängt er sich noch in einen alten Polyester-Anzug und setzt eine Langhaarpe­rücke auf, damit sich seine Erika wohlfühlt. Der Film ist eine Reminiszen­z an den Film „Good bye Lenin“, in dem eine Familie für die aus dem Koma erwachte Mutter im wiedervere­inten Deutschlan­d die DDR am Leben erhält, und erzählt berührend sowie unterhalts­am den Kampf einer Familie gegen die Krankheit. Der Film von Nils Willbrandt ist eine Hommage an die Liebe. Mit Hilfe von Rückblende­n wird außerdem noch ein lange gehütetes Geheimnis enthüllt. Neben knalligen Tapeten besticht die Tragiko- mödie durch ihren Soundtrack. Boney M., Abba, Bob Dylan, Santana, Neil Young und Queen. So wird der Film auch für den Zuschauer eine Reise in die Vergangenh­eit, denn so manches Accessoire ist aus dem eigenen Fotoalbum bekannt. „Das glaubt uns keiner, wir haben Alzheimer mit Dschingis Khan besiegt!“, sagt Hartmut am Ende. Das vielleicht nicht. Aber seine Erika war noch einmal glücklich. „Für Dich dreh ich die Zeit zurück“, Das Erste, Fr. 20.15 Uhr

 ?? FOTO: ARD ?? Für die an Alzheimer erkrankte Erika (Gisela Schneeberg­er, M.) lassen Enkelin Helena (Ella Rumpf) und Ehemann Hartmut (Erwin Steinhauer) die 70er Jahre wiederaufl­eben.
FOTO: ARD Für die an Alzheimer erkrankte Erika (Gisela Schneeberg­er, M.) lassen Enkelin Helena (Ella Rumpf) und Ehemann Hartmut (Erwin Steinhauer) die 70er Jahre wiederaufl­eben.

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