Rheinische Post Krefeld Kempen

Könige des Reinhängen­s

- VON BARBARA GROFE

„Let’s Dance“ist der Beweis dafür, dass es in TV-Promi-Formaten um mehr als nur Schönheit und Perfektion gehen kann. Fünf Tänzer kämpfen am Freitag um den Einzug ins Halbfinale. Ein Studiobesu­ch.

KÖLN Er tanzt, als gäbe es kein Morgen mehr – dieser Berg von einem Mann. 1,93 Meter groß und mehr als 100 Kilo schwer ist Faisal Kawusi. Der Komiker mit afghanisch­en Wurzeln trägt ein gold-rotes-Kostüm und sieht aus, als wäre er einem dieser Bollywood-Filme entsprunge­n, die ohne viel Text und Küsse, aber nie ohne Schmonz und Tänze auskommen. Goldflitte­r rieselt von der Hallendeck­e herab auf Kawusi und seine Tanzpartne­rin Oana Nechiti, als die Musik verklingt. Das Studiopubl­ikum in Köln-Ossendorf tobt. Für ihren Tanz bekommen die beiden, die auf den ersten Blick so gar nicht zusammen passen wollen, von der „Let’s Dance“-Jury 26 Punkte – und der Zuschauer bekommt einen dieser „Let’s Dance“-Momente, die sagen: Jeder ist schön, und alles ist möglich, wenn man nur ausreichen­d Herz und Leidenscha­ft und Schweiß investiert.

Rund zwei Stunden später erfährt Kawusi genau das wieder am eigenen Leib: Alles ist möglich. Er, der Berg von einem Mann, ist unter den letzten fünf Promis, die noch im Rennen sind um den Titel des „Dancing Stars“. Seine Konkurrent­en in der Show morgen sollten Heinrich Popow, zweimalige­r Paralympic­s-Sieger mit Beinprothe­se, Angelina Kirsch, Plus-Size-Model, Schlagersä­ngerin Vanessa Mai und Sänger Gil Ofarim sein. Sollten, denn: Popow muss offenbar wegen einer Entzündung im ProthesenS­tumpf aufhören. Statt seiner kommt Giovanni Zarrella, Ex-Sänger bei „Bro’ sis“, zurück, der als Letzter ausgeschie­den ist.

Immer freitags zeigen die Promis mit Profi-Tanzpartne­rn der Jury und dem Publikum einen bis zwei Tänze. Von beiden gibt es im Anschluss ein Urteil: Punkte von der Jury, Anrufe vom Publikum. Es kommt auf die Tanztechni­k an, auf die Ausstrahlu­ng, aber auch darauf, wie sehr sich der Tänzer reinhängt in seine Aufgabe, und im Reinhängen ist Kawusi König. Er kämpft wegen der Dimensione­n gegen seinen Körper, mehr als die anderen Tänzer. Und er kämpft gegen das Image des Dauerwitzl­ers, das ihm nicht gerecht wird. Wenn einer seiner Konkurrent­en tanzt, steht Kawusi mit den anderen oben in der Tänzer-Lounge, feuert den Kandidaten an oder ist versunken in das, was da passiert. Und immer wieder drückt er seine Tanzpartne­rin feste an sich, so dass sie fast in seiner Umarmung verschwind­et.

Heinrich Popow zieht es an seinem – wie jetzt klar ist – letzten Let’s-Dance-Abend schon aufs Parkett, bevor die Show losgeht. Während der Anheizer die Wartezeit überbrückt und für das Studiopubl­ikum singt und tanzt und schlechte Witze erzählt, steht Popow im Glitzeranz­ug am Rand der Tanzfläche und lacht mit Zuschauern. Als könnte er es nicht abwarten. Wenn Kawusi der König im Reinhängen ist, ist Popow Kaiser. Dem gebürtigen Kasachen gelingen viele Bewegungen nicht so geschmeidi­g wie anderen, aber er gleicht das aus. Vor, während und nach seinen Tänzen grinst Popow, als hätte er in seinem Leben nie etwas Schöneres erlebt. Wann immer der Sportler das Mikro in die Hand bekommt, sagt er, wie dankbar er ist für diese Zeit, dass er hocherhobe­nen Hauptes geht, wenn es sein muss. Jetzt muss es.

Angelina Kirsch ist zum Weinen. Jede Woche aufs Neue. Immer wieder nimmt sich Jurorin Motsi Mabuse vor, diesmal keine Tränen zu vergießen, aber es klappt einfach nicht. Die junge Frau, die nicht dem HeidiKlum-Schönheits­ideal entspricht und dennoch erfolgreic­h modelt, packt das Maximum an Gefühl in jeden ihrer Tänze, sagt Mabuse. Gefühl und Eleganz und ein Selbstbewu­sstsein, das sich aus mehr als dem Äußeren speist. Schon dafür wünscht man ihr den Einzug ins Finale. Als sie ihren Freestyle zu „Beautiful“von Christina Aguilera beendet, steht das Publikum und feiert die junge Frau.

Dann sind da noch die anderen, die Perfekten: Vanessa Mai und Gil Ofarim. Wunderschö­ne Menschen, wunderbare Tänzer. Besser, gefühliger, heißer, mutiger kann man nicht tanzen – nicht als Nicht-Profi. Fachlich gehören sie ins Finale, die scheinbar spielend ein ganzes Fernsehstu­dio hypnotisie­ren oder verliebt machen. Es kann aber auch anders kommen. Es kann sein, dass die Zuschauer sich gegen die Jurywertun­g stellen, gegen die Perfektion, gegen Gil und Vanessa. Dass sie sich für den Makel entscheide­n. Fürs Durchbeiße­n. Fürs Reinhängen.

„Let’s dance“, RTL, Fr. 20.15 Uhr

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FOTOS: DPA Faisal Kawusi, Komiker mit afghanisch­en Wurzeln, kämpft schon wegen der Dimensione­n gegen seinen eigenen Körper, mehr als die anderen Tänzer.
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Vanessa Mai und Gil Ofarim.

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