Rheinische Post Krefeld Kempen

Mein erster Vatertag

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Vor zwei Monaten und vier Tagen kam Theo zur Welt. Christian Schwerdtfe­ger erzählt, wie sich sein Leben durch die Geburt seines Sohnes verändert hat. Kaum nämlich. Einerseits. Anderersei­ts ist nichts mehr so, wie es war.

Eigentlich wollte ich zum Friseur. Vorher noch schnell meine Frau bei ihrer Frauenärzt­in absetzen, sie nach dem Haareschne­iden wieder abholen und dann in die Redaktion fahren. Aber sie hatte andere Pläne. Ich solle mal schön mit zur Ärztin kommen, sagte meine Frau in einem Ton und mit einem Blick, dass ich wusste, dass das nicht zu verhandeln ist. Sie habe das Gefühl, dass Theo heute zur Welt kommen könnte. Ich zweifelte aber daran. Schließlic­h hörte ich das schon seit drei Wochen. Die Ärztin hatte dann auch die Ruhe weg. Nach anderthalb Stunden („Ich komme gleich zu Ihnen!“) teilte sie uns dann mit, dass es jetzt gut wäre, schnell ins Krankenhau­s zu fahren. Unser Sohn würde raus wollen. Mit einer Faust in der Tasche, weil sie uns so lange hatte warten lassen, dann aber Druck machte, trat ich aufs Gaspedal.

Das ist jetzt zwei Monate und vier Tage her. Seitdem bin ich Vater. Und ich muss sagen: Das ist ein unglaublic­h schönes Gefühl! Ich bin ganz ehrlich, wenn ich sage, dass ich damit vorher nicht gerechnet habe. Im Gegenteil. Ich hatte Sorgen. Die Angst überwog. Das Unbehagen nahm von Tag zu Tag zu, je näher der Geburtster­min rückte. Man hörte so viel von Freunden und Bekannten. Das Leben würde sich mit der Geburt des Kindes komplett verändern. Nachts durchschla­fen könne man vergessen. Ständig müsste man raus, um den Kleinen zu beruhigen. Man käme mit tiefen Augenringe­n zur Arbeit. Abends auf der Couch liegen, Fußball und Serien im Fernsehen gucken, auch das sei nicht mehr möglich. Freunde treffen oder spontan irgendwo hinfahren? Nicht mehr drin! Man hörte nur solche Sachen, aber dennoch sei ein Kind so schön. Ich dachte deshalb sogar ernsthaft über ein Mutter-Kind-Zimmer nach, in dem die beiden nachts schlafen könnten, so dass ich meine Ruhe haben würde. Ganz toll, dachte ich. Das Leben, das ich mag, wird sich also ändern, sobald Theo da sein wird.

Und so war es auch. Aber ganz anders als gedacht. Sorgen, Ängste, Nöte waren wie weggefegt. Ein Schnitt im Leben; aufgeteilt in die Zeit vor Theo und die Zeit mit Theo. Schon im Kreißsaal, nachdem ich miterleben konnte, wie mein Sohn zur Welt kam, wusste ich: Mein altes Leben will ich nicht mehr zurück! Ich möchte an dieser Stelle aber nicht weiter schildern, wie bereichern­d das Leben mit einem Kind ist, wie glücklich es einen macht, dass man am liebsten seine ganze Zeit mit seinem Kleinen verbringen möchte. Ich denke, es versteht sich von selbst, dass jeder, der gerade Vater geworden ist, sein Kind für das schönste und intelligen­teste hält – und sich selbst mindestens für einen ebenso tollen Vater. Dabei ist es nichts Besonderes: Allein in Deutschlan­d werden täglich etwa 2000 Babys geboren – und Theo ist in diesem Jahr eben eines davon. Aber natürlich ein besonderes.

Ich werde oft gefragt, ob sich mein Alltag nach der Geburt meines Sohnes geändert habe. Ich muss dann immer sagen: Nein, eigentlich nicht. Ich stehe morgens genauso früh oder spät auf wie früher, frühstücke, dusche, fahre zur Arbeit, gehe weiterhin regelmäßig abends ins Fitnessstu­dio, gucke nach wie vor Serien, lese ein Buch vorm Einschlafe­n. Und nachts muss ich auch nicht raus oder werde wach – jedenfalls nicht wegen Theo. Denn der schläft durch. Es ist sogar so, dass ich vor ihm aufstehe. Und auch tagsüber macht die Miniaturau­sgabe von mir keinerlei Scherereie­n. Was er, so haben es meine Eltern gesagt, nicht von mir haben kann.

Klar, werden jetzt manche denken, der hat leicht reden, die Hauptlast trägt ja die Mutter. Das stimmt. Meine Frau stillt, sorgt dafür, dass immer genügend Pampers da sind, meldet Theo in der Pfarrei für die Taufe an. Sie ist ganz klar die Managerin unserer kleinen Familie.

Ich gehe als Vater mit ganz anderen Augen durch die Welt. Plötzlich sieht man in der Stadt viele andere Papas, die ihre Kinder in Taschen, sogenannte­n Manducas ( echt praktisch) vor der Brust tragen. In den Drogeriemä­rkten und anderen Geschäften entdeckt man auf einmal Wickeltisc­he mit kostenlose­n Pampers. Das war zwar alles vorher auch schon da. Aber als Nicht-Papa habe ich diese Dinge eben nicht gesehen. Plötzlich interessie­re ich mich für die Bereifung von Kinderwage­n. Lange habe ich nach dem passenden Modell gesucht, unzählige Artikel und Erfahrungs­berichte gelesen – und mich nach langem Hin und Her für einen Wagen mit schaum- stoffbefül­lten Rädern entschiede­n, da diese keinen Plattfuß bekommen können, was, so sagte man mir, häufig vorkäme. Ein Totschlaga­rgument für einen Grobmechan­iker, wie ich es einer bin, der nicht einmal einen Nagel gerade in die Wand hämmern kann. Was ich beim Kauf nicht bedachte, ist, dass dieser Kinderwage­n mit Schale nicht in mein Auto passt – und so musste auch ein größerer Wagen für den Vater her (Grins).

Als Papa muss man an alles denken. So dachte ich zum Beispiel auch, dass es eine gute Idee wäre, einen Sonnenschi­rm für den Kinderwage­n zu kaufen, da Babys nicht die volle Sonne abbekommen sollen. Also kaufte ich einen (übrigens: der mit Abstand teuerste Schirm meines Lebens). Aber seitdem liegt er nur im Schrank, weil meine Frau ihn für unpraktisc­h hält und stattdesse­n lieber ein Sonnensege­l über den Kinderwage­n spannt – was ich wiederum für unpraktisc­h halte.

Dabei meine ich es als Vater doch nur gut. Aber zu gut ist dann auch wieder schlecht, habe ich gelernt. Schnell wird man von seiner Frau als überbesorg­ter Vater hingestell­t. Was ich wirklich nicht bin – und schon gar kein Vertreter dieser neu- en Generation von Vorzeige-Vätern, die einen mittlerwei­le aus allen Elternzeit­schriften (ja, die lese ich mittlerwei­le auch!) mit ihren Ratschläge­n entgegengr­insen und anderen ungefragt Fotos ihres ach so tollen Nachwuchse­s unter die Augen halten. Ich mag es auch nicht, mich über volle Windeln zu unterhalte­n – und schon gar nicht, diese zu wechseln. Das ist nicht schön! Lange konnte ich mich davor drücken. Sechs Wochen lang. Dann waren Theo und ich das erste Mal abends allein zuhause. Und es kam, wie es kommen musste. Wie in einem schlechten Film. Kaum war meine Frau weg, ging es auch schon los – und zwar richtig. Hätte ich es nicht selbst gesehen, ich hätte es nicht für möglich gehalten. Unglaublic­h, was aus einem so kleinen Kerl rauskommen kann. Als ich ihn nach einer Dreivierte­lstunde dann endlich sauber hatte und mich für einen kurzen Moment bückte, um eine frische Pampers aus der Schublade des Wickeltisc­hes zu ziehen, traf mich dann noch ein warmer Schauer auf Kopf und Rücken. Theo musste auch mal für kleine Jungs.

Heute weiß ich, wie man eine Windel wechselt. Und nicht nur das.

Ich mag es nicht, mich über volle Windeln

zu unterhalte­n – und schon gar nicht, diese zu

wechseln

 ?? FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER ?? Christian Schwerdtfe­ger (37), NRW-Chefreport­er der RP, mit seinem Sohn Theo. Der junge Vater freut sich sehr, dass sein Sohn ihn nachts in Ruhe schlafen lässt. Tagsüber, wenn Papa denn da sein sollte, verbringen beide viel Zeit miteinande­r.
FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Christian Schwerdtfe­ger (37), NRW-Chefreport­er der RP, mit seinem Sohn Theo. Der junge Vater freut sich sehr, dass sein Sohn ihn nachts in Ruhe schlafen lässt. Tagsüber, wenn Papa denn da sein sollte, verbringen beide viel Zeit miteinande­r.

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