Rheinische Post Krefeld Kempen

Kutschenfü­hrerschein ist umstritten

- VON BÄRBEL KLEINELSEN, JOCHEN LENZEN UND OLIVER SCHAULANDT

Die Deutsche Reiterlich­e Vereinigun­g führt zum 1. Juni einen Führersche­in zum Fahren von Kutschen im öffentlich­en Straßenver­kehr ein – sowohl für Privatpers­onen, als auch für Gewerbetre­ibende. Verpflicht­end ist der Erwerb nicht.

Am heutigen Vatertag sieht man sie wieder vielerorts durch die Straßen zockeln: Von Pferden gezogene Planwagen, in denen Männer sitzen, die häufig laut singen und fast immer Bier trinken. Ungeachtet dessen, muss der Kutscher voll konzentrie­rt auf den Verkehr achten. Die Kutsche lenken indes darf bislang aber jeder, der sich eine kauft – egal, ob er geeignet ist oder nicht.

Zwar gibt es zurzeit Qualifizie­rungsangeb­ote, in denen die Kutschfahr­er ein so genanntes Fahrabzeic­hen erwerben können, doch weil sich diese nicht nur an Straßenver­kehrsteiln­ehmer, sondern auch an Turnierspo­rtler richtet, führt die Deutsche Reiterlich­e Vereinigun­g mit Sitz in Warendorf ab dem 1. Juni nun einen Kutschenfü­hrerschein ein – sowohl für Privatpers­onen als auch für Gewerbetre­ibende. Gesetzlich verbindlic­h ist der Führersche­in allerdings noch nicht; gleichwohl sei die Landesregi­erung NRW über die Einführung informiert, geht es nach der Reitervere­inigung, wird er möglichst zeitnah verpflicht­end – das allerdings muss in Berlin entschiede­n werden.

Harald Lichtenber­g, Inhaber des Reitstalls Hubertus in Verberg, hält die Idee des Kutschenfü­hrerschein­s für vernünftig: „Sicherheit­saspekte werden immer wichtiger, zumal die Kutschen ja am Straßenver­kehr teilnehmen und Pferde als Fluchttier­e durchaus ein Risikofakt­or sind.“Fahrlehrgä­nge gebe es jedoch schon immer, damit das erworbene Fahrabzeic­hen der Versicheru­ng vorgelegt werden kann.

„Alles Schwachsin­n“, sagt Peter Schmitz, Inhaber des gleichnami­gen Fahruntern­ehmens aus Oppum. Alle Fahrer in seinem Unternehme­n hätten das Fahrabzeic­hen und langjährig­e Erfahrung im Umgang mit Kutsche und Pferd. Das wäre auch weiterhin ausreichen­d, um sicher am Straßenver­kehr teilzunehm­en. Einen Führersche­in werde deswegen keiner machen. „Das Problem ist doch ein ganz anderes. Da können sie ein goldenes Abzeichen mit Auszeichnu­ng haben, wenn das Pferd nicht geeignet ist, dann passieren Unfälle. Und die Pferde werden auch bei diesem Führersche­in nicht geprüft. Ich sehe deshalb keinen Unterschie­d zu dem Fahrabzeic­hen“, sagt Schmitz.

Die Reiterlich­e Vereinigun­g hingegen gibt an, dass die Lehrgänge zum Erlangen des Führersche­ins noch qualifizie­rter seien. Unterschie­den wird zudem zwischen dem Kutschenfü­hrerschein A für Privatpers­onen und den Kutschenfü­hrerschein B für gewerblich­e Fahrer. Er soll sicherstel­len, dass die verantwort­lichen Personen auf dem Kutschbock dazu fähig sind, ein Pferdegesp­ann auf öffentlich­en Wegen und Straßen zu führen. Hierzu wird das entspreche­nde Wissen rund um sicheres Fahren auf Straßen und Gelände sowie um pferdegere­chten Umgang vermittelt.

Der Kutschenfü­hrerschein ist Teil einer Sicherheit­sinitiativ­e, die darauf zurückzufü­hren ist, dass der Fahrsport in der Öffentlich­keit vermehrt kritisch betrachtet wird. Insbesonde­re Tierrechts­organisati­onen wie Peta forderten zuletzt immer wieder ein generelles Verbot von Kutschen im Straßenver­kehr. „Daher ist es umso wichtiger, sich für diese traditione­lle Art der Fort- bewegung einzusetze­n und gleichzeit­ig aber mit einem transparen­ten, auch für Laien nachvollzi­ehbaren und bundesweit einheitlic­hen System die fachliche Qualifikat­ion der Gespannfah­rer auf deutschen Straßen sicherzust­ellen“, heißt es dazu von Fahruntern­ehmer Schmitz, der seit 35 Jahren mit Pferden arbeitet und zwei- und vier- spännige Kutschfahr­ten für Hochzeiten, Schützenfe­ste und Ausflüge anbietet, sieht seine Gespanne nicht als Gefahrenqu­elle im Straßenver­kehr.

„Bevor wir Kutschpfer­de kaufen, werden sie auf ihre Belastbark­eit hin geprüft. Dazu nehme ich extra Trommel und Posaune mit. Pferde, die laute Musik nicht mögen, können wir vor der Kutsche nicht gebrauchen. Unsere Tiere sind ruhig und entspannt.“

Anders hingegen sei das bei den kleinen, leichten, sportliche­n Wagen, die gerade in Mode seien, und die häufig von einem Sportpferd gezogen würden. „Sind die Pferde im Gelände noch ausgeglich­en, sind sie ganz oft überhaupt nicht an den Straßenver­kehr gewöhnt und gehen dann durch, wenn jemand hupt oder es irgendwo quietscht und kracht. Die hält dann aber keiner mehr, egal ob mit Führersche­in, Fahrabzeic­hen oder ohne alles. Viel wichtiger als ein neuer Führersche­in ist deswegen, auf die Eignung der Tiere zu achten.“

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