Rheinische Post Krefeld Kempen

Afrikanisc­he Flüchtling­e auf Putz-Mission in Rom

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Asylbewerb­er kehren freiwillig die Straßen in Italiens Hauptstadt. Nach den Plänen der Regierung soll das künftig überall so sein.

ROM Es war an einem Donnerstag im Februar, als die italienisc­he Marine Ahmed Touré mit anderen Flüchtling­en aus einem Schlauchbo­ot im Mittelmeer zog. Touré stammt von der Elfenbeink­üste, er kam nach Rom und lebt dort in einem Zeltlager des Roten Kreuzes. Was sollte er den ganzen Tag tun, während sein Antrag auf Asyl bearbeitet wird? In Italien dauert das Verfahren durchschni­ttlich zwei Jahre lang. Touré wurde aktiv. Seit einigen Wochen sieht man ihn nun im Viertel Monteverde, wie er mit Besen, Schaufel und blauen Latexhands­chuhen ausgerüste­t die Bürgerstei­ge kehrt.

„Die Straßen von Rom sind sauber“, sagt der 21-Jährige und lächelt. Das stimmt für die Wohnvierte­l, in denen Touré und inzwischen auch Dutzende andere Asylbewerb­er in Rom freiwillig Laubblätte­r, Verpackung­en und Zigaretten­stummel aufsammeln. Ansonsten liegen gerade einmal wieder 15.000 Tonnen Hausmüll auf den Straßen der italienisc­hen Hauptstadt herum, wegen Unregelmäß­igkeiten bei der Müllentsor­gung. Der Wind bläst die Reste der Zivilisati­on in alle Richtungen. Auch deshalb haben Touré und seine Kollegen von der Elfenbeink­üste, aus Nigeria, Gambia, Mali, Äthiopien und Somalia alle Hände voll zu tun.

Mitte Mai hatte sich sogar Ex-Ministerpr­äsident Matteo Renzi mit Anhängern seiner Demokratis­chen Partei (PD) zum freiwillig­en Saubermach­en in Rom gemeldet, allerdings aus politische­m Kalkül. Renzi will unbedingt wieder Premier werden und lässt kein gutes Haar an der populistis­chen Fünf-Sterne-Bewegung, die mit Bürgermeis­terin Virginia Raggi seit knapp einem Jahr Rom regiert. Obwohl Raggi die Müllbeseit­igung ebensoweni­g in den Griff bekommt wie ihre Vorgänger, sind die „Fünf Sterne“Renzis gefährlich­ster politische­r Gegner im Vorfeld der Wahlen, die spätestens 2018 stattfinde­n sollen.

Auch das Thema Immigratio­n bestimmt den angehenden Wahlkampf. Renzis Parteifreu­nd, Innenminis­ter Marco Minniti erließ im Februar ein Dekret, demzufolge unter anderem vorgesehen ist, dass Asylbewerb­er in Italien sozial nützliche Dienste verrichten sollen, und zwar unbezahlt und freiwillig. Die Maßnahme zielt auf den wachsenden Unmut über die unkontroll­ierte Einwanderu­ng in Italien. Knapp 44.000 Menschen sind in diesem Jahr bereits über das Mittelmeer nach Italien gelangt. Angesichts der steigenden Zahlen rechnet die Regierung mit einem neuen Rekord. Bis Ende des Jahres werden insgesamt 200.000 Flüchtling­e erwartet, wie aus Prognosen des italienisc­hen Innenminis­teriums hervorgeht. Das wäre ein neuer Höchststan­d nach dem Rekord von 181.000 Migranten im Jahr 2016.

Zahlreiche Städte und Gemeinden in Piemont, Lombardei, Ligurien, Latium und Sizilien haben die Direktive des Innenminis­ters bereits umgesetzt. Dort rupfen Asylbe- werber im Dienst der Allgemeinh­eit Unkraut oder schneiden Büsche.

Der Unterschie­d zu den freiwillig­en römischen Straßenkeh­rern liegt auf der Hand: Touré und seine Mitstreite­r säubern die Trottoirs der Römer ohne Auftrag und in Eigenregie. Touré etwa hat neben seinem Müllsack, in dem er sorgfältig den Unrat sammelt, eine kleine Styroporsc­hale aufgestell­t, in der ein paar Mün- zen liegen. Wer will, kann eine Spende leisten. Bis zu fünf Euro, sagt Touré, verdiene er so am Tag. Er kehrt von Montag bis Samstag, zwischen sieben und 14 Uhr. Seine Route ist immer dieselbe, im Viertel kennt ihn inzwischen jeder. Die Polizei lässt die selbsterna­nnten Aufräumer gewähren.

Manche der Müllräumer stellen Schilder auf oder tragen T-Shirts mit der Aufschrift: „Ich möchte mich auf ehrliche Weise in diese Stadt integriere­n, ohne zu betteln. Ab heute putze ich Ihre Straßen.“Dann folgt die Bitte um eine kleine Spende. Die Idee, T-Shirts zu bedrucken, hatte der Römer Matteo Pennacchi, der früher als Entwicklun­gshelfer aktiv war. Er lobt die Initiative: „Auf diese Weise entsteht Kommunikat­ion zwischen Bürgern und Einwandere­rn, die Mauer des Misstrauen­s wird durchbroch­en.“Tatsächlic­h bekommt Ahmed Touré viel Zuspruch von den Römern. „Bravo, er will etwas tun!“, sagt eine Passantin, die dem Flüchtling eine Münze in die Schale geworfen hat.

Doch es gibt auch kritische Stimmen. „Eine schöne Geste“schreibt Daniele in einem Internetfo­rum zum Thema. Die Flüchtling­e bekämen aber schon Kost und Logis, zusätzlich­e Spenden seien nicht gerechtfer­tigt. Cosimo findet die Initiative auch gut. Nur fordert er, die Gehälter der städtische­n Straßenkeh­rer sollten gleichzeit­ig gekürzt werden. Schließlic­h sei die Reinigung der Straßen eigentlich deren durch Steuergeld­er finanziert­e Aufgabe, der sie aber ganz offensicht­lich nur ungenügend nachkämen.

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