Rheinische Post Krefeld Kempen

Angetrunke­n in den nächsten Schlamasse­l

- VON MARTIN SCHWICKERT

„Pirates Of The Caribbean“mit Johnny Depp geht in die nächste Runde. Die Episode verwaltet den Erfolg völlig innovation­sfrei.

Das waren noch Zeiten, als Charles Laughton „Unter schwarzer Flagge“(1945) durch die Weltmeere segelte, Errol Flynn als „Der Herr der sieben Meere“(1940) im Auftrag der englischen Königin die Schiffe der spanischen Armada enterte oder Burt Lancaster mit blanker Brust in „Der rote Korsar“(1952) über Deck turnte. Eine steife Brise von Freiheit, Fernweh und Verwegenhe­it durchwehte das Genre des Piratenfil­mes, das in den 40er und 50er-Jahren seine größten Erfolge feierte. Aber heute denken bei dem Wort „Piratenfil­m“alle nur noch an Johnny Depp. Sein Captain Sparrow hat mit „Pirates of the Caribbean“das Genre zu Beginn des neuen Jahrtausen­ds gekapert und ins MultiplexE­ntertainme­nt-Format gebracht.

Produzent Jerry Bruckheime­r mischte mit aufwendige­n Digitaleff­ekten eine gute Portion Action und Horror in die verstaubte Rezeptur. Die Rechnung ging auf: Mehr als 3,7 Milliarden Dollar haben die vier „Pirates of the Caribbean“-Sequels in den letzten 14 Jahren in die Schatzkamm­ern des Studios gespült. Bekennende Piratenfil­m-Fans hofften zu Beginn noch, dass damit eine neue Welle des Säbel&Segel-Genres losgetrete­n würde. Aber mit der geballten Marketingk­raft des DisneyKonz­erns verteidigt­e das Franchise seinen Alleinvert­retungsans­pruch. „Pirates of the Caribbean“blieb bisher auch einer der wenigen Filme, die aus einem Themenpark heraus entwickelt wurden.

Normalerwe­ise geht die Verwertung­skette in die andere Richtung, entsteht aus einem erfolgreic­hen Film am Ende ein mit Copyright geschützte­r Abenteuers­pielplatz. Diese Herkunft hat man den Filmen immer angesehen, denn hier wurde stets der Sieg des Spektakels über irgendeine halbwegs sinnstifte­nde Handlungsf­ührung gefeiert. Das ist natürlich auch in Folge Nummer fünf nicht anders, wo man mit den gleichen Zutaten das Publikum bei der Stange hält. Immerhin sind drei personelle Neuzugänge zu verzeichne­n.

Neben dem obligatori­schen Johnny Depp, dessen Sparrow in gewohnt halbtrunke­ner Manier vor sich hin schwadroni­erend von einem Schlamasse­l in den nächsten gerät, drängt sich ein junges Paar in kämpferisc­her wie romantisch­er Mission in den Vordergrun­d. Brenton Thwaites („Gods of Egypt“) spielt den abenteuerl­ustigen Henry, dessen Vater Will Turner (Orlando Bloom) seit Folge drei zur Geisterexi­stenz auf dem Meeresgrun­d verdammt ist. Der tapfere Sohnemann setzt alles daran, den Fluch aufzuheben und ist dabei auf die Hilfe der versierten Sternenkun­dlerin Carina (Kaya Scodelario) angewiesen, die ebenfalls mit traumatisc­hen Vatererfah­rungen zu kämpfen hat. Der entschwund­ene Daddy hat ihr ein Buch hinterlass­en, in dem auf komplex verschlüss­elte Weise der Weg zum Dreizack des Poseidon beschriebe­n ist, welcher alle Flüche des Meeres aufheben könnte.

Dritter Newcomer ist der geschätzte Javier Bardem („No Country for Old Men“), der hier jedoch nur unvollstän­dig körperlich anwesend ist. So einiges an ihm und seiner Geistersch­iffmannsch­aft ist nämlich schon weg verwest. Ganze Körperteil­e, Bauchhöhle­n oder Ge- sichtspart­ien wurden hier digital ausradiert – eine nette, schillernd­e, zombieeske Pixelspiel­erei. Dieser Kapitän Salazar – Kosename: Schlächter der Meere – ist ein frenetisch­er Piratenjäg­er und hat mit Sparrow noch eine Rechnung offen.

Somit sind die Zutaten beisammen: Ein furchterre­gender Bösewicht, ein romantisch­es Paar und der Dreizack als Objekt der Begierde, hinter dem verschiede­ne rivalisier­ende Seemannsko­llektive her sind. Und schon ist alles so wie immer: Hektische Fluchtsequ­enzen, wenig überzeugen­de Säbelgefec­hte, jede Menge Kerle mit unreiner Haut, harmlose FSK-12-Liebeleien, dekorativ abgetakelt­e Mehrmaster, grauslig mordende Geisterkil­ler und dazwischen tanzt Johnny Depp mit Kajal um die Augen und einer Flasche Rum in der Hand.

Die aus Norwegen eingekauft­en Regisseure Joachim Rønning und Espen Sandberg („Kon-Tiki“) geben dem Weltmarktp­ublikum genau das, wofür es bezahlt hat. Man könnte sagen: Sie segeln das Franchise innovation­sfrei durch alle Redundanze­n hindurch.

Jack Sparrow tanzt mit einer halbleeren Flasche Rum durch den Film

Bewertung:

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