Rheinische Post Krefeld Kempen

Von Bach bis zu Berliner Fatzke-Melodien

- VON GERT HOLTMEYER

Orgelkonze­rt mit Bas de Vroome aus Delft. Außerdem gab es eine Premiere für Neließens Drehorgel.

KEMPEN Aus Delft kam ein Organist zum vorletzten Kempener Orgelkonze­rt vor den Sommerferi­en, dem man Vielseitig­keit nicht absprechen kann. Bas de Vroome spielt an der Oude und der Nieuwe Kerk auf vier Orgeln, außerdem absolviert­e er erfolgreic­h ein Studium im Fach Glockenspi­el. Und er fand sichtlich Interesse an einer selbst gebauten Drehorgel, die während der gut besuchten Veranstalt­ung in der Paterskirc­he vorgestell­t wurde. Rund doppelt so viele Zuhörer wie sonst bei Orgelkonze­rten waren gekommen.

Los ging es aber erst einmal auf der großen Orgel mit Sweelinck und Bach, also mit Musik, wie sie einer Orgel barocker Bauart angemessen ist. Von Jan Pieterszoo­n Sweelinck waren zwei Werke unterschie­dli- chen Charakters zu hören, die fröhliche „Echo Fantasia in C“und, ernst und traurig, „Pavana Lachrimae“. Differenzi­ert trug Bas de Vroome Johann Sebastian Bachs BWV 564 vor, lebhaft die Toccata, melodisch das Adagio, wuchtig die Fuge. Beim Choralvors­piel „Erbarm’ dich mein, O Herre Gott (BWV 721) wählte der Delfter Organist deutlich unterschei­dbare Register für Melodie und Umspielung. Dabei waren allerdings – möglicherw­eise nicht auf allen Plätzen gleich stark – mechanisch­e Nebengeräu­sche der Orgel wesentlich deutlicher zu hören als gewohnt.

Joseph Haydns Flötenuhrs­tücke parodieren den Klang von Walzenorge­ln. De Vroome wählte witzige Registrier­ungen und schuf damit einen idealen Übergang zur Vorstellun­g der Drehorgel, gebaut vom Kempener Ingenieur, Pädagogen und Tüftler Günter Nelißen. Von selbst hergestell­ten Lochkarten­Walzen ließ er zur allgemeine­n Erheiterun­g muntere Weisen wie den Xylophon-Klassiker „Zirkus Renz“oder Berliner Fatzke-Melodien von Paul Lincke und Walter Kollo erklingen. Neben dem Spaß am Basteln spielt für Nelißen noch ein guter Zweck eine wichtige Rolle. Das Kempener Berufskoll­eg, Nelißens alter Arbeitspla­tz, engagiert sich nach wie vor für die wichtigen Wiederaufb­auarbeiten nach dem schlimmen Erdbeben in Haiti. Mit seiner herrlichen Drehorgel will Nelißen durch Kempen ziehen und Geld für das Haiti-Projekt einspielen.

Der Schluss des Programms war dann wieder der ernsthafte­n Kirchenmus­ik gewidmet. Hugo Distler lebte von 1908-1942; er konzipiert­e seine Werke nicht unbedingt für den Klang von Barockorge­ln. Allerdings: die drei verschiede­n angelegten Sätze zum Choral „Wachet auf, ruft uns die Stimme“klangen in ihrer herben Grundstimm­ung auf der König-Orgel sehr eindringli­ch; Musik und Instrument passten zueinander.

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