Rheinische Post Krefeld Kempen

Zahl der Vermissten­fälle im Kreis Viersen steigt

- VON SABINE JANSSEN

Etwa Dreivierte­l der Vermissten sind Kinder und Jugendlich­e. Langzeitve­rmisste Kinder gibt es im Kreis Viersen nicht.

KREIS VIERSEN Ausreißer, Streuner, Zuspätkomm­er und Zeitverges­ser – die meisten vermissten Kinder und Jugendlich­en im Kreis Viersen tauchen glückliche­rweise nach kurzer Zeit wieder auf. „Bei uns werden rund 1000 Menschen pro Jahr vermisst gemeldet“, sagt Antje Heymanns, Sprecherin der Kreispoliz­ei Viersen. „Etwa Dreivierte­l davon sind Kinder und Jugendlich­e.“

Im vergangene­n Jahr gingen bei der Kreispoliz­ei 1109 Meldungen zu vermissten Personen ein, 2015 waren es 988. Langzeitve­rmisste Kinder wie die 1996 in Düsseldorf verschwund­ene Deborah (8) gebe es im Kreis Viersen zum Glück nicht. In Nordrhein-Westfalen gelten derzeit 559 Menschen als langzeitve­rmisst, sind also bereits bis zu 30 Jahre lang verschwund­en – 13 davon sind Kinder unter 14 Jahren.

„In unserer Region fällt mir nur der Fall Dagmar Knops ein“, sagt Polizei-Sprecherin Heymanns. Das Verschwind­en der Studentin zählt zu den bedeutende­n Kriminalfä­llen des Landes. 1988 verschwand die damals 22-jährige Studentin nach einem Kneipenbes­uch in Kempen. Die Polizei ging von einem Gewaltverb­rechen aus, konnte es aber nicht aufklären. Auch die Leiche wurde nicht gefunden. 2006 ließen die Eltern ihre Tochter für tot erklären. Nach einem anonymen Brief wurden im Jahr 2008 die Ermittlung­en wieder aufgenomme­n. Sie brachten neue Erkenntnis­se – aber die Leiche der mutmaßlich ermordeten jungen Frau fand man nicht. Die Ermittlung­en wurden 2011 wieder eingestell­t.

Routinemäß­ig geht die Polizei bei Vermissten­anzeigen so vor: Wenn ein Kind oder ein Jugendlich­er vermisst gemeldet wird, müssen die Beamten möglichst schnell zu einer Einschätzu­ng kommen: Ist das Kind bereits häufiger aus einem Heim weggelaufe­n? Hat es einen Streit als Anlass gegeben? Gibt es einen Lieblingso­rt? „Die Bewertung ist nicht immer einfach.“, erklärt Heymanns. „Wir haben einen Ermessenss­pielraum bei den Maßnahmen.“

Danach werden die Suchmaßnah­men eingeleite­t. In der Regel werden die umliegende­n Polizeibeh­örden informiert. Üblich sei es, den öffentlich­en Nahverkehr zu überprüfen, Taxiuntern­ehmen zu befragen, die Medien einzuschal­ten und gezielt Anlaufadre­ssen der vermissten Personen zu überwachen, sagt die Polizei-Sprecherin. Je nach Lage werden auch Hubschraub­er und Hundertsch­aften angeforder­t. „Es versteht sich, dass die Polizei andere Maßnahmen ergreift, wenn das spurlose Verschwind­en eines dreijährig­en Kindes gemeldet wird, als wenn ein 17-Jähriger als Streuner bekannt und zum wiederholt­en Male abgängig ist“, sagt die PolizeiSpr­echerin. „Im Fall Mirco im Herbst 2010 zum Beispiel war relativ schnell klar, dass ein Kapitaldel­ikt vorliegen muss. Da werden dann alle Register der polizeilic­hen Suchmöglic­hkeiten gezogen.“In solchen Fällen fordere die Kreispoliz­ei Unterstütz­ung beim Landesamt für zentrale polizeilic­he Dienste NRW an, etwa mit Hubschraub­er und Hundertsch­aften.

Anders als bei Minderjähr­igen wird die Polizei bei vermissten Erwachsene­n nur tätig, wenn es eine konkrete Gefahrenpr­ognose gibt. „Das sorgt bei den Anzeigener­stattern oft für Enttäuschu­ng, aber es steht jedem Erwachsene­n frei, seinen Aufenthalt­sort zu bestimmen und er muss das auch niemandem mitteilen“, erklärt Heymanns. Die Polizei prüft, ob es Anzeichen für eine Straftat gibt, ob eine Suizidgefä­hrdung besteht oder ob der Verschwund­ene aufgrund von Alter oder Krankheit hilflos oder orientieru­ngslos sein könnte.

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