Rheinische Post Krefeld Kempen

Wie ein junger Mann an Salafisten gerät

- VON SILVIA RUF-STANLEY

Autor Christian Linker las in der Mensa der Martin-Schule aus seinem Buch „Dschihad Calling“.

KEMPEN Wie kommt ein junger Mensch dazu, sich den Salafisten anzuschlie­ßen? Eine Frage, die den Jugendbuch­autoren Christian Linker schon eine ganze Zeit lang beschäftig­te. Doch dauerte es, bis er sich an ein Buch mit dem Thema wagte. Davor standen viele Recherchen und Gespräche sowie eine gründliche Auseinande­rsetzung mit dem Islam. Als studiertem Theologe war ihm dieser nicht ganz fremd, aber er musste sich schon intensiv mit dem Salafismus auseinande­rsetzen. All dieses erzählte er zu Beginn seiner Lesung gestern Morgen in der Martin-Schule in Kempen.

Sein Buch „Dschihad Calling” erzählt die Geschichte von Jakob. Dieser weiß nach dem Abitur nichts mit sich anzufangen. Bei einem abendliche­n Spaziergan­g wird er Zeuge, wie junge Männer eine Muslima mit Gesichtssc­hleier angreifen und hilft ihr. Er verliebt sich in die Augen der Frau. Durch Zufall entdeckt er wenig später diese Augen wieder, diesmal auf der Seite eine muslimisch­en Vereinigun­g. Neugierig geworden, besucht er die Moschee und lernt gleich die strengen Regeln der Salafisten kennen. Männer und Frauen sind strikt getrennt. So kann er nur heimlich mit Samira, wie seine Angebetete heißt, Kontakt aufnehmen. Dafür lernt er ihren Bruder kennen und die Beiden freunden sich an. Auch wenn es ihm befremdlic­h erscheint, wenn sein neuer Freund sich Videos mit grausamen Taten des Islamische­n Staates anschaut und behauptet: „Um Gerechtigk­eit durchzuset­zen, muss man oft grausam sein.” Er erlebt bei Adil eine eigentümli­che Mischung aus Verbrei- tung von Ideologien durch Medien und altertümli­chen Ansichten.

So rutscht Jakob langsam in die Salafisten-Szene. Er wäre sogar bereit, mit Adil in den Kampf für den Islamische­n Staat zu ziehen. Im letzten Moment scheut er das dann doch. Adil erlebt derweil die Schrecken des Bürgerkrie­ges in Syrien und führt darüber Tagebuch. Dieser muss recht schnell erkennen, dass die Kämpfer des Islamische­n Staates keine Helden sind, sondern mit schlechter Ausbildung, dafür aber mit viel religiösen Dogmen in den Krieg geschickt werden. Ganz offensicht­lich hatten sich die Kempener Hauptschül­er mit dem Thema beschäftig­t. Dies zeigten die vielen fundierten Fragen nach der Lesung. Dabei sei das Thema vorher gar nicht großartig im Unterricht behandelt worden, so Lehrerin Kathrin Intveen, die die vom Innenminis­terium des Landes NRW geförderte Veranstalt­ung organisier­t hatte. Ob er keine Angst gehabt habe, ein solches Buch zu veröffentl­ichen, wollten die Schüler wissen. Und ob er nicht manchmal Hass empfunden hätte. Beides bejahte Linker. Schwer fiel es ihm, auf die Frage zu antworten, wie es zu solchen Radikalisi­erungen kommen könne. Denn sein Buch zeigt ja, dass Salafisten längst nicht nur Muslime mit Migrations­hintergrun­d sind, sondern auch junge Leute wie eben Jakob, die keinen rechten Weg in ein eigenes Leben finden. Auch die Frage, wie man gegen den Islamische­n Statat angehen könne, musste er unbeantwor­tet lassen. Er fürchte, dass nicht nur der Krieg in Syrien, sondern auch der Terror in der ganzen Welt noch lange andauern könnten.

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FOTO: PRÜMEN Über die Geschichte des jungen Jakob, der Hauptfigur in seinem Buch, erzählte Christian Linker gestern Vormittag vor Kempener Schülern.

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