Rheinische Post Krefeld Kempen

Grenz-Erfahrung auf zwei Rädern

- VON TIM SPECKS

NETTETAL Der 9. November 1989 ist bekannt als der Tag, an dem die Mauer, die zwei deutsche Staaten voneinande­r trennte, zu bröckeln begann. An einem sonnigen Abend im Mai 2017 aber scheint es, als hätten ein paar Männer und Frauen in grauen Overalls sie wieder aufgebaut. Allerdings – sie steht an diesem Tag nicht am östlichen Ende der Bundesrepu­blik, sondern an einem ihrer westlichst­en Zipfel in Hinsbeck, kurz vor der niederländ­ischen Grenze. Und: Aus der steinernen Mauer ist ein kleiner Metallzaun geworden. Er umgibt die örtliche Jugendherb­erge.

Hinter dem hüfthohen Zaun sitzen Daniel Vogt, Stefan Hempel und Nick Lehmann. Drei Männer um die 40, die heute in Lobberich, Kaldenkirc­hen und Elmpt wohnen, alle aber in der ehemaligen DDR geboren sind. Man hört das. Vielmehr aber spürt man es, wenn sie über ihre Leidenscha­ft sprechen: Mopeds aus dem Osten.

Die drei sind Mitglieder des Internetfo­rums ddrmoped.de, einem Online-Treff für Liebhaber von DDR-Mopeds. Auf der Plattform sind rund 500 Mitglieder registrier­t – einige von ihnen sind sind sehr aktiv, geben sich gegenseiti­g Tipps zum Kauf und zur Reparatur von Mopeds oder Ersatzteil­en, andere geben sich als stille Beobachter. Und ein kleiner Kreis von ihnen trifft sich einmal pro Jahr nicht im Internet, sondern im echten Leben.

Die User-Treffs, so heißen die Zusammenkü­nfte der Moped-Freunde, finden in jedem Jahr an einem anderen Ort statt. 2016 trafen sich die Moped-Fans in der Oberlausit­z. „Da dachten wir: ,Das müssen wir auch mal bei uns machen’“, sagt Hempel. Rund 40 Mitglieder sind nach Hinsbeck gekommen, sie schlafen zwei Nächte lang in der Jugendherb­erge. Am ersten Tag des Treffens machen sich die Fahrer auf nach Xanten und zurück. Am nächsten Tag dann geht es für sie über die Grenze in die Niederland­e. „Bei den Treffen“, sagt Hempel, „zeigen die jeweiligen Organisato­ren ihren Gästen ihre Region.“Dafür kommen die Reisenden aus der ganzen Bundesrepu­blik, aber auch aus dem Ausland: In diesem Jahr reiste ein Mitglied 1300 Kilometer aus Polen an. „Wir hatten aber sogar schon jemanden, der aus Israel kam“, sagt Daniel Vogt.

Vogt, Hempel und Lehmann leben mittlerwei­le seit über zehn Jahren im westlichen Grenzland. Ihre Herkunft – Gera, Zwickau oder Freital – aber haben sie nicht vergessen. Mit der Liebe zu ihren Mopeds der Marke Simson, einer in der DDR produziert­en Zweiradrei­he, leben sie ihre Verbundenh­eit zu ihrer Herkunft aus, sagt auch Hempel: „Die Mopeds sind für uns ein Stück Heimat. Das Schrauben ist nicht nur ein Hobby – es erinnert uns an zuhause.“

Warum es gerade Simson-Modelle sind, auf denen die drei unter- wegs sind, erklärt Vogt mit der emotionale­n Verbindung zu ihnen. „Das sind die Fahrzeuge unserer Jugend. Früher oder später will doch jeder das Auto oder Moped fahren, mit dem er früher durch die Gegend gefahren ist“, sagt er.

Neben dem Erinnerung­sstück sind die Mopeds heute aber auch zur Wertanlage geworden, sagt Hempel. Weil es immer weniger Modelle gebe, steige automatisc­h ihr Wert. „Das ist in unseren Augen aber zweitrangi­g. Für uns sind die Mopeds einfach ein großer Spaß.“

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RP-FOTO: TIM SPECKS Ihr ganzer Stolz: Nick Lehmann, Daniel Vogt und Stefan Hempel (v.l) mit ihren Simson-Mopeds.

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