Rheinische Post Krefeld Kempen
KULTURTIPPS
Reggae Es ist eigentlich nicht zu verstehen, warum „Exodus“so viele Liebeslieder („One Love/People Get Ready“, „Three Little Birds“, „Jamming“) enthält. Die Zeiten waren damals definitiv nicht rosig für Bob Marley. Erst wurde im Dezember 1976 auf Jamaika ein Attentat auf ihn verübt, das er leicht verletzt überlebte. Dann ging es ins englische Exil. Und dort, in London, nahmen Bob Marley & The Wailers vor 40 Jahren ihre neunte Studio-LP auf. Die Hauptstadt Großbritanniens war 1977, als an der Themse auch Punkrock durchstartete, wohl der perfekte Platz für revolutionäre Musik. Zum Jubiläum erscheint „Exodus 40 – The Movement Continues“jetzt als Doppel- und Dreifach-CD sowie als Super Deluxe Edition auf Vinyl. Es gibt neben dem Album eine von Ziggy Marley aufgemöbelte Version mit neuen Gesangslinien, alternativen Textentwürfen und differenzierten Instrumentierungen. ahu Klassik In der Rückschau entpuppt sich unsere Musikgeschichte als Folge eines unablässigen Verdrängungswettbewerbes. Vieles wurde über die Jahrhunderte bewahrt, anderes blieb im Filter der Wahrnehmung hängen, manches wurde erst spät wiederentdeckt – und immer liegt eine Spur Ungerechtigkeit über allem. Warum wird Beethovens geniale 8. Sinfonie weniger häufig gespielt als andere? Es ist interessant, welche Symphoniker wie in Stein gemeißelt auf unseren Programmen stehen, während andere ein Schattendasein fristen. Bei Mozart beginnt unsere Zeitrechnung erst ab der 35. Sinfonie, bei den Stücken des englischen Komponisten Ralph Vaughan Williams hingegen steckt eine große Schwarzblende vor unserer Wahrnehmung.
Auch bei dem russischen Komponisten Sergei Prokofieff gibt es hellstes Licht und finstersten Schatten. Sieben Sinfonien hat dieser Meister geschrieben, doch nur zwei davon haben es zu öffentlicher Kenntnisnahme gebracht. Während die 5. Sinfonie B-Dur als großes virtuoses Paradestück gilt, hat sich die 1. Sinfonie D-Dur als späte Nachwehe der Wiener Klassik etabliert. Nicht grundlos trägt sie den Beinamen „Symphonie classique“, und dieses französische Etikett weist Klassik Im Düsseldorfer RobertSchumann-Saal gibt es jetzt, im Rahmen des Klavierfestivals Ruhr, ein Wiedersehen mit dem famosen rumänischen Pianisten Radu Lupu. Der 1945 geborene Künstler, der nach seinen Siegen beim Van-Cliburn-Wettbewerb und in Leeds zu den großen und weithin begehrten Meistern seines Fachs zählt, gilt als einer der feinsinnigsten Musiker unserer Zeit, als Bewahrer von Form und Geist; Mätzchen sind nicht seine Sache, das Kunstwerk und dessen getreuliche Umsetzung stehen als heiliger Imperativ über seinem Tun. Im Robert-Schumann-Saal (Montag, 19. Juni, 20 Uhr) tritt er mit einem Programm auf, das die Romantik von mehreren Seiten beleuchtet. Am Anfang spielt er die späten f-Moll-Variationen von Joseph Haydn, dann folgt Robert Schumanns raumgreifende C-DurFantasie. Nach der Pause spielt Radu Lupu den Zyklus „Die Jahreszeiten“von Peter Tschaikowski (www.klavierfestival.de). w.g.
Prokofieffs witziger Neoklassizismus
darauf hin, wie sehr französischer Geist in Russland über lange Zeit dominierte, bis in die Sprachgebung. Aber es pfeift auch französischer Esprit aus allen Ritzen und Fugen dieses köstlichen Werks.
Jetzt gibt es eine großartige neue Aufnahme des Werks, die dem Witz und dem schnurrigen Neoklassizismus dieser Musik nachspürt und nicht wie in einem Geschwind- marsch an den Köstlichkeiten der Partitur vorbeibraust. Verantwortet wird sie von Tugan Sokhiev, dem großartigen jungen russischen Dirigenten, und dem Deutschen Symphonieorchester Berlin. Zwischen den Partnern herrschte, wie die Aufnahme zeigt, inniges Einvernehmen. In der Berliner Lesart vibriert die Partitur vor Geistreichtum.
Komplettiert wird die CD, die bei der Sony erschienen ist, durch die späte cis-Moll-Sinfonie (die sozusagen Prokofieffs später Reflex seines eigenen Neoklassizismus ist) und die satirische „Leutnant Kijé“-Suite.
Wolfram Goertz