Rheinische Post Krefeld Kempen

Dänemarks verhindert­er Nationaltr­ainer

- VON O. E. SCHÜTZ

Horst Wohlers hat erst mal studiert und ein Jahr als Realschull­ehrer gearbeitet. Nicht, weil ihm das Talent zum Profifußba­ller fehlte, sondern weil er zunächst einen „ordentlich­en Beruf“erlernen wollte. Dann aber wurde er mit Borussia Deutscher Meister und Europapoka­lgewinner.

Wer weiß, wie es gelaufen wäre, hätte Horst Wohlers im Frühsommer 1990 anders taktiert. Er hatte den Job als Fußball-Nationaltr­ainer Dänemarks praktisch schon in der Tasche, der Verband präsentier­te ihn auf einer Pressekonf­erenz bei einem Besuch in Kopenhagen bereits als Nachfolger des erfolgreic­hen Sepp Piontek. Doch dann legte sich der Verein quer, bei dem Wohlers noch für ein Jahr unter Vertrag stand: Bundesligi­st FC Bayer Uerdingen.

„Es war alles viel schneller gelaufen, als ich gedacht hatte. Ich wurde selbst mit dieser Pressekonf­erenz überrascht, hatte noch gar nicht mit Bayer gesprochen. So erfuhr der Verein aus der Presse, dass ich Nationaltr­ainer in Dänemark werden sollte“, erzählt der 67-Jährige. Die Krefelder aber wollten den Trainer halten, der sie gerade in seiner ersten Saison auf den 14. Platz geführt hatte, mit zwei dänischen Nationalsp­ielern: Brian Laudrup und Jan Bartram. Zumal sie so schnell keinen geeigneten Nachfolger sahen, bestanden sie auf Vertragser­füllung, Wohlers musste bleiben – und wurde ein knappes halbes Jahr später entlassen, weil der Erfolg ausblieb. Dumm gelaufen, doch hadern mag Wohlers mit den Uerdingern nicht: „So ist nun mal das Geschäft. Das weiß man, wenn man diesen Beruf ergreift.“

Fußball ist seit 1975 Wohlers’ Geschäft. Das er schon ernst genommen, dem er sich aber nie total unterworfe­n hat. Horst Köppel, sein Freund, Kollege und Weggefährt­e über Jahrzehnte, hat sich den Mund oft genug fusselig geredet. „Du bist selbst schuld, wenn du es nicht in die Nationalma­nnschaft schaffst“, hat er immer wieder gesagt. Geholfen hat es nicht, jedenfalls nicht nachhaltig: Auf mehr als einen Einsatz in der damaligen B-Nationalma­nnschaft (1976 1:1 in Rumänien) hat Wohlers es nicht gebracht. Aber auf 232 Bundesliga-Spiele, zwei deutsche Meistersch­aften (1976 und 1977), einen Titelgewin­n im Uefa-Cup (1979) und 1978 das Finale gegen den FC Liverpool im Europokal der Landesmeis­ter, dem Vorläufer der heutigen Champions Lea- gue. „Ich habe später noch einmal die Aufzeichnu­ng dieses Spiels gesehen. Das hätten wir nicht 1:3 verlieren müssen, sondern gewinnen können, so viele Chancen hatten wir“, sagt Wohlers.

All diese Erfolge hat er im Trikot mit der Raute erreicht, das er fünf Jahre, von 1975 bis 1980, getragen hat. Auf dem Fußballpla­tz, in dessen „Schatten“er heute lebt: Es sind nur ein paar Steinwürfe von seiner Wohnung im Eickener Gründerzei­tviertel bis zu dem Ort, der als „Bökelberg“im Fußball fast weltweit bekannt wurde – auch dank Horst Wohlers.

Es war der legendäre Fohlen-Trainer Hennes Weisweiler, der „Fussel“, wie sie ihn beim FC St. Pauli nannten, nach Mönchengla­dbach holte. „Ich hatte schon einige Angebote gehabt, aber nicht angenommen. Zum Beispiel aus Hannover, Stuttgart oder Eindhoven“, erzählt der Mann, der in Brunsbütte­l an der Elbmündung in die Nordsee, dem „Tor zur Welt“vor Hamburg, aufgewachs­en ist. Er war zwar fußballbes­essen, aber auch erst einmal ein solider junger Mann, der sein Abitur machte, Pädagogik studierte und neben dem Fußball beim FC St. Pauli ein Jahr als Sportlehre­r an einer Realschule unterricht­ete: „Ich konnte mir lange nicht vorstellen, von zu Hause wegzugehen, und wollte einen sicheren Beruf, ehe ich das Abenteuer Fußballpro­fi einging.“

Dann aber kam Weisweiler, der sich intensiv um den Mittelfeld­spieler bemühte. „Da konnte ich nicht mehr nein sagen. Borussia und der FC Bayern, das waren die Vereine, von denen ich träumte.“Ein bisschen dumm war nur, dass Weisweiler dann in Richtung FC Barcelona verschwand, bevor die neue Saison begann. Dennoch: Bei Borussia erlebte Horst Wohlers seine große Zeit. Danach folgten 1860 München und dann Arminia Bielefeld mit Trainer Horst Köppel. Dort beendete nach dem Abstieg unter Trainer Gerd Roggensack 1986 mit 35 Jahren seine Spielerkar­riere.

An die schloss sich seine zweite Laufbahn im Fußball an: Horst Wohlers wurde Trainer –wie so viele Kollegen aus seiner „Fohlen-Zeit“:

„Als Hennes Weisweiler mich wollte, konnte ich nicht mehr ablehnen“

Horst Wohlers

(hier 18)

Jupp Heynckes, Berti Vogts, Uli Stielike, Ewald Lienen, Winfried Schäfer oder Allan Simonsen zum Beispiel. Und Rainer Bonhof, mit dem als Assistente­n er 1989 bei Bayer Uerdingen in die Bundesliga startete und sich sehr schnell einen so guten Ruf erarbeitet­e, dass die damals sehr erfolgreic­hen Dänen ihn als Nationaltr­ainer holen wollten – siehe oben. Oder Horst Köppel, dessen Assistent Wohlers 1996 und 97 bei den Urawa Red Diamonds war. „Japan war eine sehr interessan­te und auch erfolgreic­he Zeit“, schwärmt Wohlers.

Seine letzte Station als Bundesliga-Cheftraine­r war 1991 der Verein gewesen, von dem er 1975 zu Borus- sia gekommen ist: der FC St. Pauli. Er übernahm ihn in der Winterpaus­e, konnte den Abstieg aber nicht verhindern und musste gehen. Der Hamburger Kiez-Klub ist aber eine der beiden Adressen geblieben, die Horst Wohlers nennt, wenn er nach „seinem“Verein gefragt wird: der FC St. Pauli und Borussia.

Auch hier endete seine Zeit als Trainer 2010 mit einem nicht verlängert­en Vertrag, nach gut fünf, alles in allem erfolgreic­hen Jahren. Max Eberl hatte ihn 2004 für die U17 geholt und ein halbes Jahr später zur U23 befördert – als Nachfolger Horst Köppels, der in der Bundesliga Dick Advocaat ablöste.

Borussias U23 war damals Talentquel­l für die Bundesliga: Marc-André ter Stegen, Marko Marin, Marvin Compper, Patrick Herrmann, Tony Jantschke, Tobias Levels oder Johannes van den Bergh zum Beispiel kamen aus ihr zu den Profis. Wohlers stieg mit der Mannschaft 2006 in die Regionalli­ga auf, ein Jahr später wieder ab, 2008 abermals auf. 2010 war Gladbach sportlich abgestiege­n, durfte aber in der Regionalli­ga bleiben, weil drei Vereine keine Lizenz bekamen. Horst Wohlers’ Vertrag wurde trotzdem nicht mehr verlängert: Borussia hatte sich zu einem Wechsel entschloss­en, für Sven Demandt, gegen Wohlers und Andy Brandts, der die ganze Zeit sein Assistent war.

„Natürlich war ich enttäuscht, zumal es eine gewisse mündliche Vereinbaru­ng gegeben hatte. Aber so ist nun mal das Geschäft. Damals in Uerdingen wie heute auch noch. Und diese fünf Jahre bei Borussia bleiben meine schönste Zeit als Trainer: Mit jungen Talenten arbeiten, die unbedingt etwas erreichen wollen, dabei selbst nicht ganz den Druck zu haben wie in der Bundesliga, das macht Spaß“, sagt Horst Wohlers. Das nicht ganz so schöne Ende ist dann auch längst vergessen: „Borussia bleibt mein Verein, neben St. Pauli.“

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FOTO: FMS Borussia ist zum fünften und letzten Mal Deutscher Meister nach dem 2:2 am 21. Mai 1977 beim FC Bayern München. Von links Berti Vogts (ganz am Rand), Herbert Wimmer, Jürgen Wittkamp, Horst Wohlers, Hans Klinkhamme­r(fast verdeckt), Frank Schäffer und...
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FOTO: HW Der Vertrag am Bökelberg ist unterschri­eben, alle strahlen: Horst Wohlers 1975 mit Borussias „Manager“Helmut Grashoff und Trainer Hennes Weisweiler – der nicht viel später von Gladbach nach Barcelona wechselte.
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FOTO: HW Japan war eine interessan­te und erfolgreic­he Erfahrung für das Trainer-Duo Horst Köppel und Horst Wohlers.
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„Borussia war meine schönste Zeit als Trainer“, sagt Wohlers (hier mit Max Eberl). Nach knapp sechs Jahren endete sie.
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FOTO: RZEPKA Erste Trainersta­tion: Chef Horst Wohlers (rechts) und Rainer Bonhof als sein Assistent in Uerdingen.
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