Rheinische Post Krefeld Kempen

„Den Tatort kenne ich nur aus der Zeitung“

- VON HERIBERT BRINKMANN

Am Dienstag liest Hans-Jürgen Schatz im Rahmen der Schlossfes­tspiele Gedichte von Erich Kästner. Der Berliner Schauspiel­er wurde durch seine Rolle im Mehrteiler „Heimat“und als Max Kühn in der Serie „Der Fahnder“bekannt.

NEERSEN Zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein – das führt Hans-Jürgen Schatz jetzt nach Neersen. Nach einem Besuch einer Vorstellun­g im Berliner Kleinen Theater am Südwestkor­so ging Schatz zusammen mit Matthias Freihof zum Italiener. Freihof, der im vergangene­n Jahr in Neersen in „Verdammt beste Freunde“die Hauptrolle spielte und in diesem Jahr „Honig im Kopf“inszeniert, stellte ihm bei Pasta Jan Bodinus vor, der ebenfalls die Vorstellun­g gesehen hatte. Spontan wurde das Gastspiel in Neersen verabredet, und wer weiß, vielleicht wird 2018 sogar mehr daraus. Bodinus, der die Leseprogra­mme von Hans-Jürgen Schatz kannte, wollte unbedingt die Lesung mit „Gebrauchsl­yrik“von Erich Kästner haben.

Um in die Welt von Kästners Dichtung einzutauch­en, empfiehlt Schatz Kästners Buch „Lyrische Hausapothe­ke“. Im Vorwort schreibt Erich Kästner: „Der vorliegend­e Band ist der Therapie des Privatlebe­ns gewidmet. Er richtet sich, zumeist in homöopathi­scher Dosierung, gegen die kleinen und großen Schwierigk­eiten der Existenz“. Mit den Gedichten Kästners reist Schatz bereits seit 20 Jahren durch die Republik – und entdeckt sie immer wieder neu. Auf Kästner, „den berühmtest­en Berliner aus Dresden“, brachte den West-Berliner Schatz ein Kollege, der ebenfalls aus Dresden stammt: Horst Neumann, bekannt aus den TV-Serien „Schwarzwal­dklinik“und „Traumschif­f“. 1989 spielte Schatz in München Theater und Neumann gewann ihn, mit ihm zusammen eine KästnerLes­ung zum 90. Geburtstag zu machen. Für Schatz war es die erste Lesung überhaupt – und seitdem kann er es gar nicht mehr lassen.

Schatz hält Kästner für einen der am meisten unterschät­zten Lyriker deutscher Sprache. In seinem Programm widmet er sich den Gedichten aus den Berliner Jahren. Für ihn sind sie tagesaktue­ll und zeitlos zugleich. Der Ton des Dichters, dessen Bücher die Nationalso­zialisten schließlic­h verbrannte­n, liegt HansJürgen Schatz sehr. In den 20 Jahren, in denen er Kästner liest, ist er vielen Dingen in den Gedichten noch näher gekommen.

Der „Knaller“in seiner Karriere war seine Rolle als Max Kühn an der Seite von Klaus Wennemann in der ARD-Vorabendse­rie „Der Fahnder“. Zwischen 1983 und 1992 spielte er in 90 Folgen à 50 Minuten mit. Der ältere Fahnder und sein jüngerer Kollege – nicht Assistent – spielten sich gegenseiti­g die Bälle zu. In dieser Zeit konnte er in Berlin nicht mehr Bus oder U-Bahn fahren, ohne erkannt zu werden. Die Serie hatte eingeschla­gen und ihn mit einem Schlag berühmt gemacht. Bei den Dreharbeit­en – damals noch je Folge zehn Drehtage mit acht bis 14 Stunden – hat Schatz viel lernen können und viele großartige Kollegen getroffen, die als Gäste in einer Folge mitspielte­n. Als Wennemann aus der Serie ausstieg, ging auch Schatz. Das Duo war so aufeinande­r eingespiel­t, dass sich Schatz ein Weitermach­en ohne seinen Kollegen nicht vorstellen konnte.

Gerne verschreck­t Schatz auch Journalist­en beim Interview mit der Bemerkung, seine „schönste Rolle“habe er bei Edgar Reitz’ Filmepos „Heimat“übernommen. Denn dort spielt Schatz einen SS-Mann. Schön, nicht weil es um einen Nazi, einen Bösewicht in schwarzer Uniform ging, sondern weil man diese so ganz andere Rolle wirklich spielen muss. Für Schatz war die Arbeit mit Reitz und seinem Kameramann Gernot Roll eine großartige Zusammenar­beit. Danach hat er sich mehr aufs Theaterspi­el, auf Lesungen und Moderation­en verlegt. Krimis kann er sich heute nicht mehr anschauen, ohne sofort auf Details in der Beleuchtun­g, in der Dramaturgi­e zu achten. Aber da Schatz kaum noch Fernsehen schaut, kennt er den Tatort nur aus der Zeitung. Was er da liest und von Kollegen hört, und dann mit seinen Erfahrunge­n aus „Der Fahnder“vergleicht, bedeutet Wandel: Heute sind ganz andere Typen gefragt. Der heute 58-Jährige mit Scheitel und Brille freute sich, als er eines Tages nicht mehr Rollen als Jura-Student angeboten bekam, sondern Anwälte. Jetzt dauere es noch zehn Jahre, bis er GroßväterR­ollen angeboten bekomme, fügt Schatz hinzu und lacht.

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ARCHIVFOTO: WDR Die Schauspiel­er Hans-Jürgen Schatz (Max, links), Klaus Wennemann (Faber, Mitte) und Dieter Pfaff (Otto) in einer Szene der ARD-Serie „Der Fahnder“(„Der vierte Mann“) von 2001. Wennemann und Pfaff sind bereits verstorben.
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ARCHIVFOTO: ADRIAN JANKOWSKI Ein aktuellere­s Foto von Hans-Jürgen Schatz.

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