Rheinische Post Krefeld Kempen

Die wackelige Maas-Mission

- VON HENNING RASCHE VON HORST THOREN VON MATTHIAS BEERMANN GEBURTSSTU­NDE VON „MERCRON“, SEITE A 6

Wer löscht wann welchen Hasskommen­tar? Eigentlich wollte Heiko Maas diese Fragen klären. Das Netzwerkdu­rchsetzung­sgesetz trägt nun nicht nur ein Ungetüm als Namen, sondern scheint auch eines zu werden. Die von den Politikern von Union und SPD eingearbei­teten Veränderun­gen sind vage, sie höhlen das ursprüngli­che Vorhaben aus – und sie sind unverständ­lich. Von „regulierte­r Selbstregu­lierung“ist die Rede, und wer sich darunter wenig vorstellen kann, der sei willkommen in einem Kreis schulterzu­ckender Experten. Auf den letzten Metern der Legislatur­periode hat die Koalition mehrere Baustellen des Gesetzes aufgerisse­n und ein paar Steine verlegt. Ob die Maas-Mission auf verfassung­srechtlich sicherem Boden steht, ist ungewiss.

Maas wollte mit dem Gesetz Fragen klären, nun wirft das veränderte Gesetz Fragen auf. Wer muss noch Bußgeld zahlen? Bis zu 50 Millionen Euro Strafe waren für soziale Netzwerke gedacht, die kein Löschsyste­m für Hasskommen­tare schaffen. Nun ist das Gesetz so entschärft, dass wahrschein­lich gar keine Strafen mehr verhängt werden können. Die MaasMissio­n droht zu scheitern, sie ist nur noch ein Signal der wehrhaften Gesellscha­ft gegen Hass. BERICHT DURCHBRUCH GEGEN HASS IM NETZ, TITELSEITE

Alt sein will keiner

Die gute Nachricht lässt manchen erschrecke­n. Die Babys von heute haben die höchste Lebenserwa­rtung aller Zeiten: 90 plus. Der Jahrgang 2017 hat somit beste Aussichten, das 22. Jahrhunder­t zu erreichen. Wie aber werden dann die Alten leben? Wie müssen sich gesellscha­ftliche Strukturen verändern? Wer aus der Perspektiv­e heutiger Senioren auf die Zukunft der Urenkel schaut, mag sich zu Recht sorgen. Eine noch ältere Bevölkerun­g will betreut, gepflegt, versorgt – letztlich finanziert werden.

Schon heute stößt unsere Gesellscha­ft bei der angemessen­en Betreuung von Alten und Kranken an Grenzen. Auf die Jüngeren kommt neben der wirtschaft­lichen auch eine gewaltige emotionale Herausford­erung zu. Fürsorge überforder­t viele.

Alt werden ist schön, alt sein will keiner. Mein Vater sagt das. Er ist 89 Jahre alt. Wenn er sich beklagt, dann darüber, dass unsere Gesellscha­ft die Alten vor allem als Belastung empfindet. Er will niemandem zur Last fallen. Er möchte, dass möglichst viele möglichst lange selbstbest­immt leben können. Dafür aber muss sich noch viel, sehr viel ändern. BERICHT NEUGEBOREN­E WERDEN 90 JAHRE ALT, TITELSEITE

Falsche EU-Harmonie

Wohl noch nie hat es einen EU-Gipfel gegeben, auf dem jeder Missklang so systematis­ch ausgeklamm­ert wurde. Die Union wollte endlich wieder ein Bild der Eintracht abgeben, wo zuletzt der Eindruck eines heillos zerstritte­nen Haufens dominiert hatte. Die Inszenieru­ng ist gelungen, und mit dem jungen französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron hatte sie auch gleich einen neuen Star. Sein demonstrat­iver Schultersc­hluss mit Angela Merkel lässt von früher träumen, als Deutsche und Franzosen die EU gemeinsam anführten. Aber die Zeiten haben sich geändert und die EU auch.

Für die Dauer eines Gipfels sind die nationalen Egoismen vertagt worden. Verschwund­en sind sie nicht. Macron hat leider Recht, wenn er beklagt, dass viele Staaten die EU nur noch als Supermarkt begreifen, wo man sich aus dem Regal nimmt, was einem gefällt, und alles andere liegenläss­t. Ein Vorwurf, den sich nicht allein jene osteuropäi­schen EU-Mitglieder gefallen lassen müssen, auf die er gemünzt war. Aber diese Konflikte wird man austragen müssen. Mit falscher Harmonie lassen sie sich nicht zukleister­n. BERICHT

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