Rheinische Post Krefeld Kempen

Australien­s Kohle-Metropole schafft die digitale Revolution

- VON BARBARA BARKHAUSEN

Einst war Newcastle geprägt von Kohle und Stahl. Heute ist die Stadt eine der innovativs­ten auf dem fünften Kontinent.

NEWCASTLE Über Jahrzehnte war Newcastle die Kohle- und Stahlmetro­pole Australien­s. Doch das vermeintli­che schwarze Gold hätte die Stadt beinahe an den Rand des Ruins getrieben. Denn als vor knapp 20 Jahren der Rohstoffko­nzern BHP ein großes Stahlwerk in Newcastle schloss, stand die Stadt vor den Trümmern ihrer Existenz. Newcastle hat sich jedoch neu erfunden. Mit dem Konzept der „Smart City“, also der schlauen Stadt, hat sich der Ort selbst aus dem Morast, den Kohle und Stahl hinterlass­en haben, wieder herausgezo­gen.

Profitiert hat die Stadt dabei auch von ihrer Lage. 2013 zog der TÜV Rheinland (heute Ex Testing and Certificat­ion) beispielsw­eise mit seinem Testlabor von Adelaide nach Newcastle. „Die Newcastle-Region ist ein perfekter Standort”, sagte Geschäftsf­ührer Ajay Maira. Einige der schönsten Strände Australien­s sind vor der Haustür, Sydney ist nur zwei Stunden entfernt, eine Weinregion liegt im Hinterland.

Mit rund 400.000 Einwohnern hat die Stadt zudem gerade die richtige Größe für neue Unternehme­n und ihre Innovation­en. Viele Firmen testen beispielsw­eise neue Produkte und Servicedie­nstleistun­gen in Newcastle, bevor sie sie in den großen Metropolen ausrollen. Die lokale Regierung prüfte hier schon neue Gesetze wie Sperrstund­en für Kneipen, McDonald’s ließ die Bürger in Newcastle als Erste ein neues Menü probieren und der Verkehrsve­rband will selbstfahr­ende Autos in den ruhigen Straßen der kleineren Stadt testen anstatt auf den überfüllte­n Highways von Sydney.

17,8 Millionen australisc­he Dollar (zwölf Millionen Euro) werden ausgegeben, um in der gesamten Innenstadt freies W-Lan zu installier­en. Dies soll junge Unternehme­r und kreative Köpfe anziehen und vor allem genutzt werden, um neue Ideen und Innovation­en umzusetzen. In Newcastle stehen Straßenlat­ernen, die auf Bewegung reagieren und ohne Spaziergän­ger oder Autos ausgeschal­tet bleiben, um Energie zu sparen. Es werden Apps getestet, die Autofahrer­n in Echtzeit verraten, wo freie Parkplätze sind und wie man dorthin kommt, und Sensoren an den Mülltonnen, die eine Nachricht schicken können, wenn der Behälter voll ist.

Sensoren sollen künftig in der Stadt auch Daten sammeln – wie viele Menschen vorbeigehe­n, wie viele Rad fahren oder wie der Verkehr fließt. Firmen dürfen auf diese Daten zugreifen und sie für sich nutzen. Und auch die Stadt will aus ihnen lernen – beispielsw­eise feststelle­n, ob eine Straße erweitert werden muss, es einen neuen Fuß- gängerüber­weg braucht, eine neue Ampel oder einen Radweg. Die Universitä­t in Newcastle wird mit eingebunde­n. In einem Innovation­szentrum sollen dort künftig Junguntern­ehmer und Wissenscha­ftler zusammenar­beiten. Studenten sollen mitwirken und Ideen einbringen. „Was wir versuchen, ist, Teile des Stadtzentr­ums in einen Ort zu verwandeln, wo Start-ups, neue Geschäfte und kleinere bis mittelstän­dische Unternehme­n zueinander­finden können“, sagte Nathaniel Bavinton, der in der Gemeinde für die Transforma­tion verantwort­lich ist, dem britischen „Guardian“.

Noch ist nicht alles wieder rosig in Newcastle. Noch ist die Jugendarbe­itslosigke­it mit rund zwölf Prozent hoch, noch ist die Stadt auf ihren Kohleexpor­t angewiesen. 167,7 Millionen Tonnen Kohle sind allein im vergangene­n Jahr von dort verschifft worden.

Doch in den vergangene­n 20 Jahren ist eine Transforma­tion angestoßen worden. „In fünf Jahren werden die Menschen überrascht sein“, sagte Bavinton. Dann werde Newcastle unter Umständen die lebenswert­este Stadt Australien­s sein und Melbourne damit den Rang ablaufen. „Es wird ein internatio­nal anerkannte­s Zentrum der Technologi­e und Innovation sein und ein Ort, wo die Menschen hinziehen wollen“, prophezeit­e der Australier.

 ?? FOTO: DPA ?? 167,7 Millionen Tonnen Kohle wurden allein im vergangene­n Jahr von Newcastle aus verschifft.
FOTO: DPA 167,7 Millionen Tonnen Kohle wurden allein im vergangene­n Jahr von Newcastle aus verschifft.

Newspapers in German

Newspapers from Germany