Rheinische Post Krefeld Kempen

SPD-Ratsherr Mustafa Ertürk verdient an der Wohnungsno­t der Flüchtling­e

- VON NORBERT STIRKEN

Die Inrather Straße ist nicht unbedingt ein bevorzugte­s Wohnquarti­er. Die Stadt Krefeld bezahlt für die Immobilie des SPD-Ratsherrn mehr als zehn Euro Warmmiete pro Quadratmet­er für sieben Wohnungen – das sind über 50.000 Euro im Jahr.

Die Stadt Krefeld hat zur Unterbring­ung von Flüchtling­en im gesamten Stadtgebie­t Wohnungen gemietet. Darunter auch in einem Objekt an der Inrather Straße 231. Den ersten Vertrag hat die Verwaltung am 1. Juli 2015 mit der Unternehme­ngesellsch­aft Via Real Finance UG geschlosse­n, andere folgten. Jährlich überweist die Kommune einen Betrag in Höhe von 50.700 Euro für sieben Wohnungen. Eigentümer der Immobilie ist der Krefelder SPDRatsher­r Mustafa Ertürk. Der Kommunalpo­litiker ist Mitglied beziehungs­weise Stellvertr­eter in zahlreiche­n Ratsaussch­üssen – unter anderem auch im Unteraussc­huss für Flüchtling­sfragen.

Seine SPD-Fraktionsk­ollegen wüssten nichts über die Angelegenh­eit, sagte der Ratsherr gestern auf Anfrage unserer Redaktion. „Ich habe noch andere Immobilien im Stadtgebie­t und informiere nicht jeden darüber, was damit geschieht“, sagte er. Auch in einem weiteren Objekt sei eine Flüchtling­sfamilie untergebra­cht.

In dem Mehrfamili­enhaus an der Inrather Straße leben nach Auskunft der Stadt derzeit 21 Personen aus Eritrea, Marokko, Libanon, Serbien und Syrien in sechs von insgesamt sieben angemietet­en Wohnungen. Die Kommune zahle dafür eine Warmmiete von knapp über zehn Euro. „Für alle sieben Wohnungen wird monatlich eine Bruttowarm­miete von 4225 Euro gezahlt“, berichtete Stadtsprec­her Timo Bauermeist­er auf Anfrage unserer Redaktion. Die Höhe der Warmmiete sei für die Gegend schon auffällig hoch, urteilte ein Experte von Haus und Grund. Für den Standard dort seien eher Kaltmieten von knapp fünf Euro üblich.

Das Mietgeschä­ft hat die Stadtverwa­ltung Krefeld nicht direkt mit dem Eigentümer – dem Ratsherrn Mustafa Ertürk – geschlosse­n, sondern mit der Via Real Finance UG. „Ich habe das Haus an die Gesellscha­ft verpachtet“, erklärte Ertürk. Wenige Wochen vor der Unterschri­ft der Stadt Krefeld auf den ersten Vertrag zum Mietverhäl­tnis informiert­e diese Gesellscha­ft die Altmieter, dass die Miete zukünftig auf das Konto der Via Real Finance UG zu zahlen sei. Unterschri­eben ist die Nachricht auf Briefpapie­r der Gesellscha­ft Via Real Finance UG allei- ne von Mustafa Ertürk. „Ich habe mit der UG nichts zu tun, bin weder Gesellscha­fter noch Gründungsg­esellschaf­ter, noch Geschäftsf­ührer“, sagte der gelernte Bankkaufma­nn. In einem Handelsreg­isterauszu­g vom 7. November 2013 wird Ertürk allerdings als Gründungsg­esellschaf­ter genannt. Womöglich war das einmal geplant, sei aber nicht Realität geworden, berichtete ein Vertreter des Notariats He- ribert Schmidt-Carré auf Nachfrage. Dass dieses Konstrukt wenig Transparen­z schaffe, will Ertürk nicht unterschre­iben. „Eine Verdunklun­g sehe ich nicht“, betonte er.

Da ist ein Meerbusche­r Anwalt anderer Ansicht. Er vertritt eine Mieterin aus dem Haus Inrather Straße 231. Die Seniorin hat Ertürk mit Datum vom 9. Mai 2017 vor dem Landgerich­t Krefeld auf Zahlung von 15.000 Euro Schmerzens­geld verklagt. Sie sei im Januar bei Glatteis auf dem ungestreut­en Grundstück gestürzt und habe sich einen komplizier­te Verletzung des Arms zugezogen. Operatione­n im HeliosKlin­ikum seien notwendig geworden und die Funktion des Arms wahrschein­lich dauerhaft eingeschrä­nkt.

Der Meerbusche­r Jurist beklagt, dass der SPD-Ratsherr auf seine Anschreibe­n zunächst nicht reagiert und an einer Aufklärung des Sachverhal­ts offenbar kein Interesse gehegt habe. Ertürk ist sich keiner Schuld bewusst. „Ich habe den Vorgang Ende April an meine Versicheru­ng weitergele­itet“, erklärte er und betont, zuvor keinerlei Einschreib­en bekommen zu haben.

Die Seniorin beklagt darüber hi- naus, dass die Stadtwerke in Gestalt der Netzgesell­schaft Niederrhei­n NGN in dem Mehrfamili­enhaus an der Inrather Straße 231 vorübergeh­end die Energiever­sorgung abgestellt haben, nachdem offenbar Nebenkoste­nzahlungen nicht an den Energiever­sorger weitergere­icht worden seien. Nach Recherchen unserer Redaktion trifft diese Schilderun­g zu. „Dazu liegen mir keine Informatio­nen vor“, sagte der Sozialdemo­krat.

Sein Engagement an der Inrather Straße sehe er positiv. Die Stadt habe private Wohnungen für die Unterbring­ung von Flüchtling­en gesucht, um nicht noch mehr Turnhallen und Notunterkü­nfte belegen zu müssen. „Da habe ich als Krefelder mit Migrations­geschichte geholfen“, sagte der Ratsherr.

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RP-FOTO: NOS In dem Mehrfamili­enhaus an der Inrather Straße hat die Stadt Krefeld sieben Wohnungen für die Unterbring­ung von Flüchtling­en aus Eritrea, Libanon, Syrien, Marokko und Serbien gemietet.
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