Rheinische Post Krefeld Kempen

Ecclestone­s Altlast in Aserbaidsc­han

- VON ECKHARD CZEKALLA

Die Hauptstadt Baku gehört zu den umstritten­en Gastgebern der Formel 1, die sich ihr WM-Gastspiel gut bezahlen lässt.

BAKU/DÜSSELDORF 1993 wurde die ehemalige Sowjetrepu­blik Aserbaidsc­han unabhängig. Seitdem leitet die Familie Alijew die Geschicke des Landes. Bis 2003 war Vater Geidar der Präsident des Landes, das in Sachen Menschenre­chte und Pressefrei­heit nicht gerade als Vorbild taugt. Ihn löste sein Sohn Ilham ab. Immer wieder versucht der 55 Jahre alte Autokrat, mit viel Geld internatio­nal für Aufmerksam­keit sorgende, vornehmlic­h sportliche Großereign­isse in die Hauptstadt Baku zu holen. Sie sollen das Image korrigiere­n und vom Alltag ablenken, in dem Korruption eine tragende Rolle spielt.

2012 wurden Bilder vom Musikspekt­akel Eurovison Song Contest von der Metropole des öl- und gasreichen Landes aus in die weite Welt gesendet. Drei Jahre später fand die Premiere der Europaspie­le mit rund 6000 Sportlern aus 50 Ländern in der Stadt am Kaspischen Meer statt. Baku war der einzige Bewerber. Jüngstes Prestigeob­jekt ist seit 2016 ein Lauf zur Formel-1-WM. In drei Jahren werden vier Spiele der Fußball-EM in Baku ausgetrage­n. Erst einmal gab es beim Versuch, eine zentrale Rolle in der Sport-Präsentati­on zu übernehmen, einen Rückschlag. Die Bewerbung als Ausrichter der Olympische­n Spiele 2016 fiel beim Internatio­nalen Olympische­n Komitee (IOC) durch.

An diesem Wochenende sind wieder tolle Bilder aus Baku zu sehen. Die nur 30.000 Fans Platz bietende Formel-1-Strecke entlang der Glitzerfas­saden zahlreiche­r Hochhäuser und durch Teile der zum Unesco-Weltkultur­erbe zählenden Altstadt ist spektakulä­r. Entworfen hat sie der Aachener Architekt Hermann Tilke, der als Baumeister des im vergangene­n Jahr entmachtet­en Formel-1-Bosses Bernie Ecclestone gilt. Der Brite suchte immer neue Geldquelle­n. Wo sie sprudelten, war ihm egal. Motorsport-Tradition war kein Kriterium. Was zählte, waren neue Märkte.

Nicht immer rechnete sich das Geschäft für den Gastgeber. Auf der 2005 in Istanbul fertiggest­ellten Strecke verabschie­dete sich die Königsklas­se im Jahr 2011, Südkorea (2010) war nur viermal im WM-Programm, auf der ebenfalls von Tilke für viel Geld gebauten Strecke in Indien (2011) gastierte der PS-Zirkus nur dreimal. Malaysia, seit 1999 ein Bestandtei­l des WM-Kalenders, steigt nach dem Rennen in diesem Jahr aus. Das Rennen ist zu kostspieli­g geworden. Auch Strecken in Europa, dem Kerngebiet des Automobils­ports, mussten aufgeben (unter anderem Nürburgrin­g, Imola) oder haben Probleme (wie Hockenheim). Gefahren wird dagegen in den nicht unumstritt­enen Ländern Bahrain, China (Premiere jeweils 2004) und Russland (2014).

Baku hat einen Vertrag bis 2025. Geld spielt keine Rolle. 30 Millionen Euro zahlt der Ausrichter angeblich jedes Jahr. Geld, auf das die neuen Formel-1-Besitzer Liberty Media wohl verzichten würden, wenn sie aus dem Kontrakt aussteigen könnten. „Diesem Sport wurde nicht entspreche­nd gedient, weil man kurzfristi­g dachte. Dadurch sind Strategie, Vision und langfristi­ge Planung sowie der Wille, in den Sport zu in- vestieren, auf der Strecke geblieben“, kritisiert­e der neue Formel-1Boss Chase Carey das Modell seines Vorgängers. „Orte wie Baku zahlen uns viel Geld, tun aber nichts für die langfristi­ge Stärkung der Marke und die Gesundheit unseres Geschäfts“, ergänzte der US-Amerikaner. Kritik, die Streckenpr­omotor Arif Rahimow als „ignorant“bezeichnet.

Liberty Media versucht, die Formel 1 neu zu beleben, will die Interessen der Fans an der Strecke, aber auch über die neuen Medien befriedige­n. Doch alle Initiative­n bleiben wirkungslo­s, wenn die Show auf dem Asphaltban­d nicht gut ist. In diesem Jahr ist die Formel 1 auf einem guten Weg. Das Duell Vettel gegen Hamilton, Ferrari gegen Mercedes, weckt Neugier.

Gestern deutete der Niederländ­er Max Verstappen mit Bestzeiten in beiden Trainingse­inheiten an, dass vielleicht auch Red Bull wieder ein Wörtchen mitreden kann. Aber es war ja nur der Freitag.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Rund 2,2 Millionen Einwohner hat Baku, die Stadt am Kaspischen Meer, deren Altstadt seit 2000 zum Unesco-Weltkultur­erbe zählt, in der viel gebaut wurde und nun die Formel 1 zu Gast ist.
FOTO: IMAGO Rund 2,2 Millionen Einwohner hat Baku, die Stadt am Kaspischen Meer, deren Altstadt seit 2000 zum Unesco-Weltkultur­erbe zählt, in der viel gebaut wurde und nun die Formel 1 zu Gast ist.

Newspapers in German

Newspapers from Germany