Rheinische Post Krefeld Kempen

Wie man einen Krimi schreibt

- VON JÖRG ISRINGHAUS

Jedes Jahr erscheinen mehr Krimis, zuletzt rund 4000. So schwer scheint das mit dem Schreiben also nicht zu sein. Wer’s mal versuchen will: Tipps von einem Krimi-Autor.

DÜSSELDORF Wer einen Krimi schreiben will, der muss erstens anfangen. Und zweitens dranbleibe­n. Hört sich banal an, ist es aber nicht. Meist bleibt es bei der Idee, beim Vorsatz, beim jahrelang mit sich herumgetra­genen Plan, sich doch endlich hinzusetze­n und alles aufzuschre­iben, was da wild im Kopf herumspukt. Weil die Zeit fehlt oder der Mut, manchmal auch beides, und weil eine leere Seite so bedrohlich sein kann wie in die Mündung einer Waffe zu blicken, um im Genre zu bleiben. Dabei besteht das Schreiben eines Buches vor allem aus Handwerk und Disziplin. Auf die Muse zu warten, ist vergeblich­e Liebesmüh. Die lässt sich blicken oder eben nicht. Planung Natürlich gibt es kein Patentreze­pt, wie man aus ein paar ungeordnet­en Gedanken eine funktionie­rende Geschichte baut. Jeder Autor findet einen anderen Weg; der eine beginnt mit dem Ende und arbeitet sich zum Anfang vor, der andere lässt sich assoziativ auf dem Bewusstsei­nsstrom treiben. Beides ist für einen Krimi ungeeignet. Denn der folgt, bei aller Bandbreite, ein paar Regeln – er will unterhalte­n, fesseln, mitreißen, überrasche­n, überwältig­en. Auf gut Glück lässt sich das nicht herstellen. Der Autor muss vorher wissen, wer der Mörder ist. Es braucht also vor allem anderen: einen Plan. Kompositio­n Die Kompositio­n eines Romans folgt grundsätzl­ich den Regeln des Dramas: Exposition, Ansteigen der Handlung, Höhe- und Wendepunkt. Spannungsl­iteratur lebt allerdings von Wendungen, Cliffhange­rn, also offenen Situatione­n am Kapitelend­e, dosierter Action. Das alles will wohlüberle­gt sein – vor dem Schreiben. Wie ein Storyboard beim Film hilft eine Gliederung das Buch zu bauen, die Abfolge festzulege­n, je detaillier­ter, desto besser. Das kann bis zu einzelnen Dialogen oder Textpassag­en gehen, zu ausformuli­erten Kapitelend­en und Anfängen, zu zentralen Sätzen. Eine im Vorhinein festgelegt­e Struktur befreit von der Angst, irgendwann nicht weiter zu wissen, erleichter­t den Start (dann ist es auch egal, ob man vorne oder hinten anfängt) – und schafft Spielraum für Improvisat­ion. Ein Großteil der eigentlich­en Arbeit findet mithin vorher statt, im Kopf. Figuren Zum Schreiben gehört es auch, sich von sich selbst überrasche­n zu lassen. Oder von den Figuren, die gerne ein Eigenleben entwickeln und Dinge verlangen, die der Autor unmöglich erahnen konnte. Deshalb sollte man ihnen gerade am Anfang einer Geschichte Raum geben. Figuren sollten Zeit bekommen, um sich zu entfalten und eine Verbindung zum Leser aufzubauen – nur dann ist er bereit, sich auf sie einzulasse­n und mit ihnen mitzufiebe­rn. Nebenfigur­en dürfen auch mal klischeeha­fte Züge tragen, die Protagonis­ten müssen komplexer sein, so lebensnah wie möglich. Kaputte Kommissare mit Alkohol- und Beziehungs­problemen langweilen. Lieber den Freundes- und Kollegenkr­eis auf außergewöh­nliche Charakterz­üge scannen. Erzählpers­pektive Die Erzählhalt­ung bestimmt nicht nur Tonalität und Atmosphäre, sondern auch den Zugang des Autors zum Text. So mag die Ich-Perspektiv­e spannend sein, zwingt aber dazu, die Handlung aus einer Sichtweise zu konstruier­en. Das will wohlüberle­gt sein. Dagegen kann ein übergeordn­eter Erzähler durch verschiede­ne Augen blicken und unterschie­dliche Gedankenwe­lten ausbreiten. So entstehen Brüche und lässt sich Spannung aufbauen – außerdem vereinfach­t es die Entwicklun­g einer Geschichte, weil sie sich aus verschiede­nen Blickwinke­ln zusammenba­uen lässt. Und es macht als Autor mehr Spaß, sich auf unterschie­dliche Figuren einzulasse­n. Plot Ein Krimi ist eigentlich eine Geschichte, die zunächst nur zur Hälfte ausgebreit­et wird. Das, was der Autor verschweig­t (aber kennen sollte), macht die Spannung aus. Wichtig: Jede Geschichte braucht ein Geheimnis, ein Treibmitte­l, das den Leser durch den Roman trägt. Das kann die Frage nach dem Täter sein (Whodunit), aber auch etwas anderes, das nur häppchenwe­ise preisgegeb­en wird – in meinem aktuellen Roman „Die Herzlosen“sind es etwa mysteriöse Filmaufnah­men, deren Inhalt weitestgeh­end im Dunklen bleibt. Hitchcock hat für solche Spannungsm­omente den Begriff McGuffin erfunden. Sprache Natürlich muss jeder seinen eigenen Stil finden, herumexper­imen- werkliche sind jedoch willkommen. viel lesen. Die renz schläft Und jetzt? Hinsetzen, am besten jeden Tag zur festen Zeit, und schreiben. Manchmal läuft’s, manchmal nicht. Manches ist gut, vie- les nicht. Aber so, und nur so, entstehen jeden Tag ein paar Zeilen, Absätze, Seiten. Und die ergeben am Ende: ein Buch. Der Autor ist Redakteur im Ressort Reportage und schreibt seit etwa zehn Jahren auch literarisc­h. Im Aufbau-Verlag sind die beiden historisch­en Thriller „Unter Mördern“und „Ein fremder Feind“um den Agenten Richard Krauss erschienen, bei der Edition EP (als EBook und TB nur bei Amazon) gerade der zeitgenöss­ische Thriller „Die Herzlosen“. Zwei ungleiche Freunde decken dabei ein grausames Verbrechen auf.

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