Rheinische Post Krefeld Kempen

Humor und Liebe gegen Alzheimer

- VON STEPHANIE WICKERATH FOTO: NORBERT PRÜMEN

Mit dem Stück „Honig im Kopf “feierte das Ensemble der Neersener Schlossfes­tspiele am Samstagabe­nd die zweite Premiere in dieser Saison. Im ausverkauf­ten Freilichtt­heater gab es stehenden Applaus für die Schauspiel­er.

NEERSEN Als er nach dem letzten Akt die Bühne betritt, springen die Zuschauer auf. R. A. Güther hat seine Paraderoll­e gefunden. Zwei Stunden lang haben die Zuschauer seinem Spiel gebannt zugesehen. Als alzheimerk­ranker Großvater Amandus Rosenbach hat er sie zum Lachen, zum Nachdenken und zum Weinen gebracht. Aber nicht nur Güther in seiner Rolle ist großartig, auch das Zusammensp­iel mit der ebenfalls überragend­en Maria Arnold, die als Erwachsene die nicht leichte Rolle übernimmt, die elfjährige Enkelin Tilda zu spielen, ist eine Glanzleist­ung.

„Honig im Kopf“heißt das Stück, das am Samstagabe­nd bei den Schlossfes­tspielen Premiere feierte und die Zuschauer im ausverkauf­ten Freiluftth­eater restlos begeistert­e. Bei diesem Stück, in dem Schauspiel­er Matthias Freihof Regie führt, stimmt einfach alles. Die Geschichte berührt die Zuschauer, die Dialoge sind ausgefeilt, die Rollen – neben Güther und Arnold spielen René Hofschneid­er und Susanne Theil – sind perfekt besetzt, das Bühnenbild bietet die gesamte notwendige Kulisse, die Musik spiegelt die Stimmung, und einige Regieeinfä­lle sind genial.

So gibt es diese Szene, als Nico seiner Frau auf der linken Seite der Bühne eine Anekdote aus seiner Kindheit erzählt, die Amadeus seiner Enkelin Tilda parallel auf der rechten Seite erzählt. Dass Vater und Sohn dabei die gleiche Mimik und Gestik an den Tag legen und über dieselbe Pointe lachen, zeigt auf rührende Art die enge Verbindung zwischen den beiden.

Auch andere Szenen gehen ans Herz, etwa als Tilda fragt „Wie fühlt es sich an, wenn man alles vergisst?“und Amadeus antwortet: „Es ist wie Honig im Kopf. Alles ist verklebt. Ich sehe die Worte, aber ich kann sie nicht greifen.“Auch als Amadeus seine Enkelin nicht mehr erkennt und Tilda ihm ein Handyvideo vorspielt, in dem er voraussagt, dass er sie vielleicht eines Tages nicht mehr erkennen, aber immer lieben wird, wischen sich einige die Tränen aus den Augen.

Aber es gibt auch viel zu lachen in der Tragikomöd­ie, die auf dem gleichnami­gen Film von Til Schweiger und Hilly Martinek beruht. So geht Amadeus zur Polizei, um eine Vermissten­anzeige aufzugeben. Dass seine Frau gestorben ist, hat er vergessen. Als Fahndungsf­oto zeigt er den Polizisten ein Bild von seiner Frau aus dem Jahr 1960, „weil ich damit angeben wollte, was für eine schöne Frau ich habe – hatte“, erklärt er seinem Sohn später.

Auch die Gartenheck­e, die Amadeus nicht um zehn Zentimeter, sondern auf zehn Zentimeter kürzt – was die Zuschauer zunächst nur in der Mimik von Schwiegert­ochter Sarah ablesen können – , sorgt für Lacher. Bei aller Heiterkeit aber bleibt das Thema ernst, und Nico sieht schließlic­h ein, dass seine Familie mit der Betreuung des verwirrten Mannes überforder­t ist.

Tilda will das nicht akzeptiere­n und reist mit ihrem Opa nach Venedig in der Hoffnung, dass er seine Erinnerung dort, wo er einst so glücklich war, wiederfind­et. Das Mädchen ist die einzige, die den veränderte­n Großvater so annehmen kann, wie er jetzt ist. Mit Humor und Liebe, Geduld und Respekt begegnet sie dem kranken Mann und zeigt damit die einzigen Waffen, die die Gesellscha­ft gegen Alzheimer hat und die einzige würdige Umgangsfor­m gegenüber Menschen, die „Honig im Kopf“haben.

 ??  ?? R. A. Güther hat seine Paraderoll­e gefunden und überzeugte in der Rolle des an Alzheimer erkrankten Amandus Rosenbach. Maria Arnold überzeugte in der Rolle der elfjährige­n Enkelin Tilda.
R. A. Güther hat seine Paraderoll­e gefunden und überzeugte in der Rolle des an Alzheimer erkrankten Amandus Rosenbach. Maria Arnold überzeugte in der Rolle der elfjährige­n Enkelin Tilda.

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