Rheinische Post Krefeld Kempen

STATISTIK

- VON OLIVER MUCHA UND MARCO MADER

ST. PETERSBURG (sid) Joachim Löw stürmte mit einem Jubelschre­i auf den Platz, die Spieler tanzten völlig losgelöst im Kreis. Die Himmelsstü­rmer des Fußball-Bundestrai­ners haben ihren märchenhaf­ten Weg durch den Confed-Cup mit dem ersten Titelgewin­n gekrönt. Im hitzigen Finale der Mini-WM hielt das erstaunlic­h reife deutsche Perspektiv­team in einer Abwehrschl­acht dem Ansturm der Chilenen stand und triumphier­te durch das goldene Tor von Lars Stindl mit 1:0. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) feierte in St. Petersburg nach dem EM-Titel der U21 am Freitag in Polen seinen zweiten Turniersie­g innerhalb von 48 Stunden.

„Wir haben super gefightet und diesen Sieg auch verdient. Schließlic­h haben wir so noch nie zusammenge­spielt, deshalb ist es umso höher zu bewerten“, sagte Kapitän Julian Draxler, der zum wertvollst­en Spieler des Turniers gewählt wurde. „Jetzt können wir endlich, endlich in den verdienten Urlaub – und nehmen sogar noch einen Pokal mit!“Der daheimgebl­iebene Weltmeiste­r Mats Hummels schrieb bei Twitter: „Wie geil ist das denn?“Mesut Özil twitterte: „Das ist wirklich wunderbar!“DFL-Präsident Reinhard Rauball gratuliert­e zu einem „weiteren großartige­n Erfolg“.

Die WM-Generalpro­be in Russland war besonders für den Bundestrai­ner ein Erfolg auf der ganzen Linie. Auf der Suche nach den Weltmeiste­rn von morgen empfahlen sich Löw besonders die jeweils dreifachen Torschütze­n Stindl, Leon Goretzka und Timo Werner, der vor dem Siegtreffe­r clever seinem Gegenspiel­er den Ball stibitzte (20.). Werner wurde als erfolgreic­hster Torjäger geehrt, da er noch zwei Torvorlage­n gab. Stindl wurde Zweiter, weil er weniger Minuten spielte als Goretzka. Der erneut sichere Torhüter Marc-André ter Stegen ist nun die klare Nummer zwei hinter Manuel Neuer. Es gilt, 2018 einen „Fluch“zu bannen: Noch nie ge- wann ein Confed-Cup-Sieger die folgende WM. „Es ist ja schön, Regeln zu brechen“, sagte Manager Oliver Bierhoff.

Der letzte Schritt zum 8,6 Kilogramm schweren und 40 cm hohen Goldpokal war ein knallharte­s Stück Arbeit. Chile überrannte die deutsche Elf 25 Minuten lang förmlich. Doch wie im Gruppenspi­el (1:1) zehn Tage zuvor befreite sich die DFB-Auswahl und holte sich den Cup im 15. Länderspie­l der Saison ohne Niederlage verdient. Das hatte der Mannschaft ohne alle Superstars wohl niemand zugetraut.

Löw lobte die Chilenen vorab als „stärksten Gegner“und einen der kampfstärk­sten: Nicht von ungefähr twitterte der aggressive Bayern-Star Arturo Vidal vor dem Finale ein blutiges Schlachten­gemälde. Der Weltrangli­sten-Vierte setzte auf seine Überfallta­ktik. In der fünften Minute musste ter Stegen mit dem Fuß gegen Vidal retten. Chile machte Druck auf den Ballführen­den. Die deutsche Abwehr wankte heftig: Der Aufbau bestand meist aus langen Schlägen ins Nichts. Nach zwölf Minuten hatten die Chilenen fünf Torschüsse abgegeben, nach einer halben Stunde hatte ter Stegen die meisten Ballkontak­te aller Spieler.

Ihre erste Chance nutzten die Deutschen. Der Ex-Hamburger Marcelo Diaz träumte am Strafraum und ließ sich den Ball von Werner abluchsen, der auf Stindl querlegte. Eine Minute zuvor hatte ter Stegen noch Kopf und Kragen riskieren müssen, um das 0:1 zu verhindern. Ab der 30. Minute befreite sich die DFB-Elf. Die besten Chancen hatten Goretzka (36./45.) und Draxler (40./ 55.), für den das Turnier eine Art Anführer-Seminar war. Chile ließ nach und wurde zunehmend unfair: Gonzalo Jara hätte für einen Ellbogench­eck an Werners Kinn Rot sehen können (65.) – aber Schiedsric­hter Milorad Mazic zeigte nach Video-Beweis nur Gelb. „Wir haben viel gelernt. Wir haben gegen eine Mannschaft von Weltniveau verloren“, betonte Chiles Schlussman­n Claudio Bravo – das schönste Kompliment für Löws Spieler.

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FOTO: REUTERS Chiles Torwart Claudio Bravo grätscht vergeblich: Timo Werner passt zu Lars Stindl, der den Ball ins leere Tor verlängert. Am Boden: Marcelo Diaz, dessen Ballverlus­t zum Treffer führte.

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