Rheinische Post Krefeld Kempen
„Ich gehe immer noch bei Aldi einkaufen“
Der Trainer feiert mit der U-21-Nationalmannschaft den Europameistertitel.
KRAKAU (sid) Die U-21-Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes ist tatsächlich Europameister geworden. Mit einer starken Teamleistung, großem taktischen Geschick und einem Kopfballtreffer von Mitchell Weiser bezwang die Mannschaft von Trainer Stefan Kuntz die hochfavorisierten Spanier in Krakau mi 1:0. Kuntz fühlte vor allem „Dankbarkeit“. Stefan Kuntz, haben Sie Ihren Erfolg schon realisiert? STEFAN KUNTZ Das braucht seine Zeit. Direkt nach dem Spiel ist das ein wenig unrealistisch. Erst kommt eine Zeremonie, dann wird man mit Bier vollgespritzt, dann kommt eine Pressekonferenz, dann wird man wieder mit Bier vollgespritzt. Aber so langsam kommt es. Wie war die Nacht nach dem Finale? KUNTZ Irgendwann bin ich für eine Stunde auf mein Zimmer gegangen, um etwas runter zu kommen. Da waren die Jungs unterwegs, und ich habe mich mit einer Flasche Rotwein und einer Zigarre vor das Hotel an einen Stehtisch gestellt. Dann habe ich irgendwann gesehen, wie die Jungs zurückgekommen sind.
Welches Gefühl ist das stärkste? KUNTZ Dankbarkeit. Als ich U21Trainer geworden bin, ist die Idee nicht von allen Seiten mit Euphorie aufgenommen worden. Das Schönste war, als mich ein Elternteil eines Spielers in die Arme genommen hat und sich für das Vertrauen bedankt hat. Da bleibt einem erstmal der Atem weg. Der EM-Titel war toll. Aber ich gehe morgens immer noch bei Aldi einkaufen. Wie haben Sie das Siegtor von Mitchell Weiser erlebt? KUNTZ Ich habe den Torwart angeschaut. Von meiner Perspektive war nicht zu erkennen, wo der Ball hingehen kann. Aber dann ist der Torwart resigniert abgetaucht, und dann wackelte auf einmal das Netz. Hat das Confed-Cup-Team gratuliert? KUNTZ Jogi hat mir geschrieben. Das sind immer die ersten, die gratulieren. Insgesamt sind es 400, glaube ich. Ich habe nicht alle Nachrichten gelesen. Ich habe das Handy zurück- gelegt und genossen. Bei einigen habe ich aber auch zurückgeschrieben und gefragt: Wo warst du die letzten zwei Jahre? Was haben Sie Ihren Spielern vor dem Finale gesagt? KUNTZ Ich habe gesagt: Ihr habt nichts zu verlieren. Die größte Sache ist es, den Pokal zu gewinnen, also spielt mit großem Herzen. Und ich habe gesagt: Ich weiß genau, dass jeder einzelne von euch heute Abend glücklich ist, wenn Schmidti (Zeugwart Michael Schmidt, d.R.) oder Wini (Winfried Otto vom Fahrdienst) heute Europameister werden. Da war es ganz ruhig. Da wusste ich, dass das ein gutes Spiel wird, dass wir Spanien packen. DFB-Präsident Reinhard Grindel hat eine Vertragsverlängerung mit Ihnen angekündigt. Was sagen Sie dazu? KUNTZ Das macht mich sehr stolz. Ich habe ja schon gesagt, dass mir die Arbeit hier unglaublich Spaß macht. Wenn der Präsident mir gegenüber das auch sagt, werden wir sicherlich jetzt nicht getrennt auseinander gehen. Jemand hat zu mir gesagt, normalerweise müsse man auf dem Höhepunkt aufhören. Da kann ich mich jetzt nicht so mit anfreunden.