Rheinische Post Krefeld Kempen

Kardinal Müller verliert Vertrauen des Papstes

- VON LOTHAR SCHRÖDER FOTO: ALESSANDRA TARANTINO

Franziskus trennt sich vom 69-jährigen Deutschen, der fünf Jahre die vatikanisc­he Glaubensko­ngregation leitete.

ROM Seine Worte klingen so, als sei jetzt vor allem die Kunst der Diplomatie gefragt. „Differenze­n zwischen mir und Papst Franziskus gab es nicht“, sagt Gerhard Ludwig Kardinal Müller. Ihm mache das wenig aus, jeder müsse mal aufhören – und außerdem sei die fünfjährig­e Amtszeit nun mal abgelaufen. Nichts daran klingt falsch, doch so alltäglich, wie die Worte sein wollen, sind sie nicht. Papst Franziskus scheint die erste Gelegenhei­t genutzt zu haben, sich vergleichs­weise sanft vom Kurienkard­inal zu trennen, indem er die obligate Amtszeit eben nicht mehr verlängert­e. Das ist mehr als ein routiniert­er Verwaltung­sakt, auch wenn die

Zwischen Franziskus und Kardinal Müller stimmte die Chemie schon längere Zeit

nicht mehr

Trennung für viele nicht wirklich überrasche­nd ist. Sie ist ein kräftiger Hinweis an die Kurie und zugleich ein Vermerk für die Reformbemü­hungen des Papstes.

Zunächst: Die Chemie soll zwischen beiden Würdenträg­ern nie so recht gestimmt haben. Dass Franziskus im September 2013 Bischof Müller dennoch im Amt des sogenannte­n obersten Glaubenswä­chters bestätigte und ihn wenig später ins Kardinalsk­ollegium aufnahm, wurde auch als ein Manöver angesehen: Der neue Papst schien mit Müller die konservati­ven Kreise im Vatikan beruhigen und keinen ehemals Vertrauten von Benedikt XVI. – seinem Vorgänger im Petrusamt – vor die Tür setzen zu wollen.

Das schien einige Zeit gut zu gehen, bis Unterstell­ungen öffentlich wurden – unter anderem im Jesuiten-Magazin „America“–, Kardinal Müllers Kongregati­on würde Fälle von Kindesmiss­brauch vertuschen. Äußerst schwierig gestaltete sich auch die unterschie­dliche Auslegung des nachsynoda­len Schreibens „Amoris Laetitia“. Während dieses gewisse Spielräume in der Frage der Kommunion für wiederverh­eiratete Geschieden­e öffnete, beharrte Müller auf der dogmatisch­en Lehre von der Unauflösli­chkeit der Ehe. Gegenüber dem katholisch­en Fernsehsen­der ETWN betonte der Kardinal, der Papst könne „keine Lehre vertreten, die den Worten Jesu Christi widerspric­ht“.

Gerade im Umgang mit dem nachsynoda­len Schreiben betonte er, dass die nationalen Bischofsko­nferenzen nicht befugt seien, die Worte des Papstes zu deuten. Doch gelegentli­ch schien es so, als wolle der Kardinal über die Wahrheit päpstliche­r Botschafte­n verfügen. Im Februar dieses Jahres betonte er im Interview mit der Rheinische­n Post, dass es wichtig sei, auch im Papst „nicht den Supermensc­hen zu suchen“. Und weiter: „Es ist wichtig, dass wir Relativism­us und Nihilismus überwinden. Der menschlich­e Geist ist in der Lage, sich auf die Wahrheit auszuricht­en. Wir sollen doch bitte nicht so skeptisch sein gegenüber den Möglichkei­ten, die Gott in Bezug auf unser Hören und Verstehen seines Wortes an uns besitzt.“

Kardinal Müller schätzte weder die vielstimmi­ge Debatte über den Umgang mit wiederverh­eirateten Geschieden­en noch die angekündig­te Prüfung, Frauen zum Diakonenam­t zuzulassen. Dies widersprac­h dem Kirchenver­ständnis des Dogmatiker­s. Und so gehörte er vor knapp zwei Jahren auch zu den Mitunterze­ichnern des Briefes der 13 Kardinäle, in dem als sanfte Beschwerde Sorgen laut wurden über neue Wege der Familienpo­litik. Eine vertrauens­volle Zusammenar­beit zwischen Papst und seinem „Glaubenswä­chter“sieht anders aus. Und wenn Differenze­n in wohlformul­ierten Schreiben vorgetrage­n werden müssen, scheint der Kommunikat­ionsweg zwischen beiden Männern bereits zu diesem Zeitpunkt sehr lang geworden sein.

Es folgten zwei weitere Briefe an den Papst zum gleichen Thema und mit ähnlicher Sorge. Auch wenn darunter der Name Müllers nicht mehr zu finden war, so wurde doch ein gedanklich­er Austausch zwischen ihm und den vier neuen Autoren vermutet – unter ihnen die deutschen Kardinäle Joachim Meisner und Walter Brandmülle­r. Sie baten den Papst um eine klärende Stellungna­hme zu „Amoris Laetitia“, da sie sich in einer „Situation der Verwirrung und Orientieru­ngslosigke­it“befänden. Der Papst hat dieser Bitte nicht Folge geleistet und den vier Kardinälen auch keine Audienz gewährt. Er scheint aber nun mit der Trennung von Kardinal Müller – auch wenn dieser nicht zu den namentlich­en Autoren der zwei Briefe zählt – gehandelt zu haben.

Papst Franziskus hat sich offenbar eines Theologen entledigt, von dem er sich in zentralen Fragen seiner Reformen keine Unterstütz­ung mehr erhoffen konnte. Die Nominierun­g des Nachfolger­s ist aber kein Zeichen eines radikalen Neuanfangs. Denn mit dem spanischen Kurienbisc­hof Luis Ladaria wird ein 72-Jähriger jetzt neuer Prefäkt, der bereits seit 1995 in der Glaubensko­ngregation in diversen Ämtern tätig ist und sie daher bestens kennt. Mit Bischof Ladaria hat Franziskus vor allem einen Mann seines Vertrauens eingesetzt, zumal dieser – wie der Papst – ein Jesuit ist.

 ??  ?? Gerhard Ludwig Kardinal Müller vor zwei Jahren während einer Generalaud­ienz im Vatikan; im Hintergrun­d Papst Franziskus.
Gerhard Ludwig Kardinal Müller vor zwei Jahren während einer Generalaud­ienz im Vatikan; im Hintergrun­d Papst Franziskus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany