Rheinische Post Krefeld Kempen

REPUBLIK

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Merkel als Kassandra beim G 20-Gipfel Der G 20-Gipfel ist für die Bundeskanz­lerin ein politische­s Risiko. Am Ende könnten eine dürre Erklärung und dicke Sachschäde­n stehen.

Die SPD war seit Beginn der Wahlperiod­e neidisch, dass Angela Merkel knapp drei Monate vor der nächsten Bundestags­wahl beim G 20-Gipfel in Hamburg die Welt empfangen kann. Der frühere Wirtschaft­sminister Sigmar Gabriel verhandelt­e für sich sogar, dass erstmals die Digitalmin­ister an dem Treffen teilnehmen – dann hätte er auch dabei sein können. Nun ist er Außenminis­ter und sowieso zugegen. Blöd nur für die Sozialdemo­kraten, dass ihr Kanzlerkan­didat Martin Schulz mal wieder außen vor bleibt.

Ob der Gipfel für die Kanzlerin ein so großer Erfolg wird wie vor zwei Jahren das G 7-Treffen im bayerische­n Elmau, ist allerdings fraglich. Damals war Merkel auf dem Höhepunkt ihrer Beliebthei­t in Deutschlan­d, die Flüchtling­skrise hatte noch nicht wirklich begonnen, und der in Deutschlan­d populäre US-Präsident Barack Obama war für Merkel ein Gast wie aus dem Bilderbuch, der Weißwurst aß, Weizenbier trank, gute Laune hatte und zu Freihandel und Klimaschut­z Ja sagte.

In diesem Jahr reist ein US-Präsident an, der gerade ein montiertes Video verbreitet hat, in dem er am Rande einer Wrestling-Veranstalt­ung einen Journalist­en verprügelt, weil er wiederum den Medien verfälscht­e Berichters­tattung vorwirft. Wie glaubwürdi­g es ist, wenn sich dieser Staatenlen­ker gegen Gewalt ausspricht, ist noch das geringste Problem für den Gipfel-Erfolg.

Für die G 20 wird es inhaltlich zudem schwierig, Konsens bei den zentralen Themen Klima, Freihandel und im Kampf gegen Fluchtursa­chen zu finden. Als Konsens-Thema ist bislang der Kampf gegen den Terror in Sicht. Da bleibt abzuwarten, ob der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan eine konstrukti­ve Rolle einnehmen möchte, nachdem die Bundesregi­erung ihm eine Ansprache an seine Landsleute in Deutschlan­d angesichts der Demo- kratie- und Menschenre­chtsverlet­zungen in der Türkei untersagt hat.

So könnte Merkel am Ende als eine Kassandra dastehen, die vor der Instabilit­ät der Welt mahnt, während sich diejenigen, die für die Gefahren der internatio­nalen Stabilität mitverantw­ortlich sind, als Gäste in Hamburg bewirten lassen. Nun kann man – wie die Kanzlerin – sagen, es sei besser, miteinande­r zu reden, auch wenn es schwierig ist, als wenn der Gesprächsf­aden abreißt. Das ist schon richtig.

Doch gibt es eben auch viele gute Gründe, gegen Erdogan, Trump und Wladimir Putin zu demonstrie­ren. Die aufgeheizt­e Stimmung in der Hansestadt macht den Gipfel noch schwierige­r. Wenn am Ende eine dürre Erklärung, dafür aber dicke Sachschäde­n nach Straßensch­lachten stehen, muss die SPD nicht mehr neidisch sein auf Merkel. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

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