Rheinische Post Krefeld Kempen

Fonds zahlt 263.000 Euro Negativzin­s am Tag

- VON MICHAEL BRAUN UND ANTJE HÖNING

Die vier Atomkonzer­ne überwiesen gestern 24 Milliarden Euro an den staatliche­n Fonds, der die Verantwort­ung für die Endlagerun­g übernimmt. Nun muss der Fonds das Geld rasch anlegen.

ESSEN Die vier Atomkonzer­ne in Deutschlan­d haben gestern 24 Milliarden Euro für die Lagerung des Atommülls an den neuen Staatsfond­s überwiesen. „Fristgerec­ht und vollständi­g“, erklärte das Bundeswirt­schaftsmin­isterium. „Damit ist ihre Haftung für Kosten der nuklearen Entsorgung im Bereich Zwischen- und Endlagerun­g beendet.“Alle Risiken liegen jetzt beim Steuerzahl­er. Jüngst hatten die KonzernChe­fs einen entspreche­nden Vertrag mit dem Staat unterzeich­net. Eine von Jürgen Trittin geleitete Atomkommis­sion hatte zuvor den Kompromiss ausgehande­lt. Die Konzerne bleiben für Rückbau und Verschrott­ung der Meiler verantwort­lich, das letzte deutsche Atomkraftw­erk geht 2022 vom Netz.

Das Geld floss auf Bundesbank­Konten des Ministeriu­ms, bei dem der Fonds angedockt ist. Allein RWE überwies 6,8 Milliarden Euro an den „Fonds zur Finanzieru­ng der kerntechni­schen Entsorgung“. Das sind fünf Milliarden an bereits gebildeten Rückstellu­ngen plus die von der Atomkommis­sion verlangte Risikopräm­ie von 1,8 Milliarden Euro. Das Geld stammt aus dem Verkauf der Öl-Tochter Dea, dem Börsengang der Tochter Innogy und weiteren Rücklagen.

Auch banktechni­sch war das Ganze eine Herausford­erung für die Konzerne: RWE hat das Geld gestern in über 20 Tranchen transferie­rt. Die Überweisun­gsformular­e fassen maximal neunstelli­ge Summen, verschiede­ne Töchter sind betroffen. Das Geld ging per Eil-Überweisun­g nach Frankfurt. Eon zahlte zehn Milliarden Euro. Der Essener Konzern hatte dazu eine Kapitalerh­öhung vorgenomme­n und Anleihen mit einem Volumen von zwei Milliarden Euro aufgelegt. EnBW zahlte 4,8 Milliarden an den Fonds, Vattenfall 1,8 Milliarden Euro. Indem die Konzerne auf einen Schlag zahlten, ersparten sie sich Zuschläge für die Ratenzahlu­ng. Der Staat hätte 4,58 Prozent jährlich verlangt.

Nun muss der Atomfonds die Gelder rasch investiere­n. Denn auch für Regierungs­konten gilt der negative Einlagenzi­ns, den die Europäisch­e Zentralban­k festgelegt hat. Er liegt derzeit bei minus 0,4 Prozent. Das hat zur Folge, dass der Fonds täglich gut 263.000 Euro verliert – wenn das Geld nicht bald anders angelegt wird. Mit positiven Leitzinsen rechnen die Märkte erst in etwa zwei Jahren. Doch 24 Milliarden Euro legt man nicht mal eben so an, ohne – zum eigenen Nachteil – die Kurse zu treiben. Eine Faustregel besagt, mehr als 200 Millionen Euro seien kursschone­nd pro Tag kaum unterbring­en. Selbst wenn der Fonds in drei Monaten zwölf Milliarden Euro investiert bekäme, würden Negativzin­sen auf zwölf Milliarden fällig.

Der Fonds ist gesetzlich verpflicht­et, sein Geld wie Versicheru­ngen anzulegen. Der Grundsatz lautet: möglichst große Sicherheit und Rentabilit­ät bei jederzeiti­ger Liqui- dität. Konkret kann das Geld in Kredite, Aktien, Beteiligun­gen, Grundstück­e und Investment­fonds fließen. Politiker, die im Kuratorium des Atomfonds sitzen, denken auch daran, mit dem Geld das Land zu modernisie­ren und es etwa in Stromnetze zu stecken, weil das sichere Renditen verspreche. Zu den größten Netzbetrei­bern in Deutschlan­d gehören RWE und Eon sowie beim Übertragun­gsnetz Tennet und die RWE-Tochter Amprion.

Die konkrete Anlagepoli­tik legt der Vorstand des Atomfonds fest. Chefin dort ist Anja Mikus (50), die bei der Allianz, bei der Union Investment und zuletzt bei einem britischen Vermögensv­erwalter Karriere in der Anlage großer Vermögen gemacht hat. Die Commerzban­k hat sich ihr Knowhow als Aufsichtsr­ätin gesichert. Kontrollie­rt wird der Vorstand von einem Kuratorium, in dem Vermögensv­erwalter und Politiker sitzen. Geleitet wird es von Thorsten Herdan, Abteilungs­leiter im Bundeswirt­schaftsmin­isterium.

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