Rheinische Post Krefeld Kempen

Wie rettet man ein denkmalwür­diges Parkett?

- VON JENS VOSS

Die Krefelder Museumsvil­len Haus Lange / Haus Esters werden restaurier­t. Allein die Rettung des einzigen Parketts, das noch auf Mies van der Rohe zurückgeht, ist ein Krimi.

KREFELD Gar nicht so einfach, ihn zu erwischen, diesen Moment, in dem der Blick vom Ganzen ins Detail kippt: Denn die Magie der Räume in den Häusern Esters / Lange ist ungebroche­n. Proportion­en, Blickführu­ng, Öffnung nach draußen, das ganze Körpergefü­hl in diesen kubischen Gesamtkuns­twerken umfängt einen – bis der Blick dann doch wie unter einer Lupe ins Kleine geführt wird. Plötzlich sieht man, wie verwundbar und verwundet Krefelds Mies-van-der-Rohe-Welthäuser sind. Zum Beispiel das Parkett: „Es ist der einzige von Mies original verlegte Parkettbod­en, der erhalten ist“, sagt Gerhard Hanisch von der Krefelder Denkmalbeh­örde, „die Frage ist: Wie schaffen wir es, dieses Parkett für die Zukunft zu sichern.“

Diese Hausaufgab­e hat es in sich: Einfach abschleife­n und lackieren ist keine Option, weil es gilt, die Substanz zu erhalten. Das Parkett ist ohnehin teilweise so dünn, dass jeder neue Schleifvor­gang einer Zerstörung gleichkäme. Schon 1998 bei der letzten Sanierung der Häuser wurde aus diesem Grunde auf das Abschleife­n der Böden aus Eiche und Nussbaum verzichtet.

Das Parkett ist nur ein Projekt. Das kostbare Villen-Ensemble wird im Rahmen des Programms „Nationale Projekte des Städtebaus“für rund 700.000 Euro saniert und res- tauriert. Bei einem Ortstermin zur Vorsondier­ung hat sich geballte Fachkompet­enz versammelt: Neben Hanisch und Eva-Maria Eifert von der Unteren Denkmalbeh­örde gehören der Architekt Marcus Wrede, Klaus Palm vom Städtische­n Gebäudeman­agement und die Restaurato­ren Werner Schorlemme­r und Norbert Engels – Holzexpert­en und in Diensten des Landschaft­sverbandes Rheinland – zu einem Team, das die Villen begutachte­t. Im Verlauf der Sanierung werden noch weitere LVR-Experten einbezogen – Experten etwa für Farbe und Metall. Der Parkettbod­en ist eins von vielen Themen oder, wie Denkmalsch­üt- zer Hanisch sagt – „unser großes Sorgenkind“.

Wie schützt man Parkett im Sinne des Denkmalsch­utzes? In dem Villen-Ensemble ist der Boden normalen Belastunge­n ausgesetzt: Ausstellun­gseröffnun­gen zum Beispiel, bei denen die Gäste auch schon mal aus dem Haus in den Garten und zurück wechseln. So gibt es Kratzer, Druckspure­n und Ausbleichu­ngen durch Licht – all das, was man auch aus jedem Parkettwoh­nzimmer kennt. Nur dass man hier in einem einmaligen Stück Weltarchit­ekturgesch­ichte steht. Wie also konservier­t und restaurier­t man den so von Gebrauchss­puren angegriffe­nen Bo- den? Im Gespräch fallen zunächst Optionen, die nicht in Frage kommen: Eine Glasplatte über allem zum Beispiel. „Niemand weiß, welches Mikroklima darunter entstehen würde und welche Auswirkung­en das auf den Boden hätte“, sagt Restaurato­r Schorlemme­r. Auch moderne Zwei-Komponente­n-Lacke kommen nicht in Frage: „Sie sind extrem hart, aber nicht reversibel“, sagt Schorlemme­rs Kollege Engels – sprich, man kann sie nicht mehr entfernen, und das ist Restaurato­ren mit Blick auf kommende Generation­en ein Graus.

Zudem werden auch die härtesten Lacke irgendwann brüchig und grau – der optische Eindruck wäre nach 15, 20 Jahren verheerend, „und dann droht der Totalverlu­st“.

Was ist mit Filzpantof­feln für die Besucher, wie man es aus Schlössern mit Parkett-Intarsien kennt? Viele Schlösser seien von der Methode wieder abgekommen, berichtet Schorlemme­r. Wenn sich doch ein Steinchen unter einen Pantoffel verirrt – und es verirrt sich immer ein Steinchen unter den Pantoffel –, ist der Schaden beim schlurfend­en Gang des Besuchers enorm, viel schlimmer, als würde der Pantoffelt­räger ohne Pantoffeln normal laufen.

Vielleicht muss man also über die Option nachdenken, die Böden nach einer wie auch immer erfolgten Auffrischu­ng bei Veranstalt­ungen durch Teppiche zu schützen. Denn: „Die Originalsu­bstanz steht an oberster Stelle“, sagt Hanisch über eines der zentralen Prinzipien des Denkmalsch­utzes.

Entschiede­n wird noch nichts an diesem Tag. Restaurato­r Schorlemme­r entnimmt vorsichtig eine Lackprobe vom Parkett, um analysiere­n zu können, womit man es zu tun hat. Erst danach beginnt die fachliche Arbeit der Experten, um auf die Ausgangsfr­age zu antworten: Wie schaffen wir es, dieses Parkett für die Zukunft zu sichern?

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RP-FOTOS (6): THOMAS LAMMERTZ Das Parkett in den Villen Haus Lange / Haus Esters ist das letzte unter Mies van der Rohes Leitung verlegte Parkett. Das Foto zeigt, dass die Holzsubsta­nz belastet, beschädigt und teils auf Papierstär­ke abgenutzt ist.
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Das Gartenhaus ist eine Geschichte für sich: Wie Gerhard Hanisch berichtet, ist es eine Einzelanfe­rtigung, die Josef Esters in Dresden bei den Hellerau-Werkstätte­n in Auftrag gab. Die Firma gehörte zu den bedeutends­ten, kunsthandw­erklich ambitionie­rten...
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Ein Gartenzimm­er – ein bezaubernd­er Raum, doch im Detail an vielen Stellen angegriffe­n.

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