Rheinische Post Krefeld Kempen

Was von der Tour in der Region bleibt

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N UND VOLKER KOCH

Der Erfolg des Grand Départ löst im Radsport den Ehrgeiz aus, nachhaltig Kapital daraus zu schlagen.

DÜSSELDORF Zuerst war die Euphorie da. Veranstalt­er, Zuschauer und die Radsportle­r selbst ließ der Grand Départ der Tour de France am Wochenende in Düsseldorf und der Region hellauf begeistert zurück. Doch schon am Tag danach machte sich ein Folgegefüh­l in der hiesigen Radsportsz­ene breit, das sich wohl mit Aufbruchst­immung passend zusammenfa­ssen lässt. „Die Tour de France wird sich positiv und nachhaltig auswirken, wenn der Radsport jetzt seine Chance nutzt und endgültig die alten Zöpfe abschneide­t“, sagt Udo Hempel (70), in den 60ern und 70ern selbst Radrennfah­rer und einer der maßgeblich­en Motoren der Initiative „Tour-hautnah“in Kaarst-Büttgen.

Hempel trifft die Stoßrichtu­ng von Düsseldorf­s Oberbürger­meister Thomas Geisel, der umgehend für seine Stadt neben der avisierten Rolle als Startort der wiederbele­bten Deutschlan­d-Tour 2018 auch die Bewerbung um die Straßenrad-WM zwei Jahre später ins Gespräch brachte. „Es war seit zehn Jahren nicht mehr so einfach, Sponsoren für den Radsport zu begeistern, wie im Moment. Die Wiedergebu­rt der Deutschlan­d-Tour oder eine Düsseldorf­er Bewerbung für die Straßen-WM würden da gut hineinpass­en“, findet Hempel, der auch schon konkrete Überlegung­en für die Anlage vor der eigenen Haustür formuliert: „Wir in Büttgen sind so euphorisie­rt, dass wir überlegen, mal wieder ein größeres Event auf die Bahn des Sportforum­s zu holen, eine U 23-Europameis­terschaft oder ähnliches.“

Stephan Hilgers ist Vorsitzend­er des Neusser Radfahrerv­ereins, der am 26. Juli zum 16. Mal die „Tour de Neuss“ausrichtet. In den vergangene­n Jahren waren hier 13 der 16 deutschen Tour-Teilnehmer am Start. Er sagt: „Die Tour de France wird allen Veranstalt­ern von Radrennen, vor allem hier in den Region, einen Schub geben und die zuletzt oft sehr mühsame Arbeit, vor allem die Suche nach Sponsoren, erleichter­n. Bleibt nur die Frage, ob die Politik das auch erkennt und den Sport in Zukunft mehr unterstütz­t.“Der Neusser Stadtrat hatte eine Beteiligun­g an der Tour-Bewerbung abgelehnt.

Aus Aussagen wie diesen spricht die Überzeugun­g, aus der Radsporttr­adition des Rheinlande­s tatsächlic­h etwas Nachhaltig­es für die Zukunft zu erschaffen. Die Bilder von hunderttau­senden begeistert­en Zuschauern am Streckenra­nd der Tour lässt den Radsport hoffen, dass die dunklen Jahre der Skandale endgültig vorbei sind, in denen sich Breitenspo­rtler wie Geldgeber abwendeten. Heute, das zeigt nicht zuletzt die Sympathiew­elle, die Jan Ullrich am Sonntag in Korschenbr­oich entgegensc­hlug, sind die Menschen offensicht­lich wieder bereit, die Begeisteru­ng für den Radsport über das Magengrumm­eln der Doping-Thematik obsiegen zu lassen. Das ist vielleicht die wichtigste Erkenntnis des Wochenende­s – für den Sport

Udo Hempel hier, wie für den internatio­nalen Sport beim Blick auf den Absatzmark­t Deutschlan­d.

Josef Göttlicher, Vizepräsid­ent des Radsportve­rbandes NRW mit seinen rund 25.000 Mitglieder­n in knapp 500 Vereinen, sagt: „Natürlich hoffen wir, dass die Begeisteru­ng vom Grand Départ eine gewisse Nachhaltig­keit besitzt. Denn eine solche Begeisteru­ng wie am Wochenende gab es lange nicht mehr – jedenfalls nicht mehr im Spitzenspo­rt. Als Breitenspo­rt hatte Radfahren ja nie Probleme.“Es ist also letztlich eine Wechselwir­kung, auf die alle setzen: Darauf, dass Hobbyradle­r wieder dauerhafte Radsportfa­ns werden, und darauf, dass die Begeisteru­ng für den Radsport dafür sorgt, dass mehr Menschen Radfahren als Hobby entdecken.

Deutsche Etappensie­ge helfen dieser Tage natürlich, diese Aufbruchst­immung weiterzutr­agen. Doch auf der dritten Etappe hinauf nach Longwy reichte es im Sprint nicht für Marcel Kittel, André Greipel und Co. Gegen Weltmeiste­r Peter Sagan aus der Slowakei waren sie chancenlos. Kleines Trostpflas­ter: Der Slowake fährt für das deutsche Team Bora-hansgrohe.

„Seit zehn Jahren nicht mehr

so einfach, Sponsoren zu begeistern“

Ex-Profi

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