Rheinische Post Krefeld Kempen

Das Geheimnis um Ottos elften Finger

- VON PETRA DIEDERICHS

Die Gebeine des Burggrafen sind umgebettet worden, dabei trat Erstaunlic­hes zutage. Jetzt ruht Otto von Linn in der Burgkapell­e.

Das war eine Riesenüber­raschung, die bisher den Historiker­n und den Besuchern von Burg Linn verborgen geblieben war. Als Restaurato­rin Eileen Wolf die Vorbereitu­ngen für die Umbettung der Gebeine des Otto von Linn traf, stellte sie fest: Der erste namentlich erwähnte Besitzer von Burg Linn hatte an einer Hand sechs Finger. „Keiner weiß, wie das gekommen ist, es muss ein Aufbauscha­den gewesen sein“, sagt die Restaurato­rin. Eine genetische Anomalie sei es nicht. Wer in die Vitrine im Museum Burg Linn blickte, konnte den zusätzlich­en Knochen schwerlich entdecken, weil er halb unter dem Becken verborgen war.

Inzwischen ist die Anatomie wieder korrekt – und der Burggraf vom Museum in seine alte Wohnstatt, die Burg, gezogen. In der Kapelle im unteren Rittersaal ruht er in gläsernem Sarg, umgeben von den Tuffsteine­n, mit denen sein Grab in der Alde Kerk eingefasst gewesen war. Die Umbettung ist der erste Schritt für ein neues Ausstellun­gskonzept für die Burg, das sukzessive umgesetzt werden soll. Am Freitag wird der neu gestaltete untere Rittersaal öffentlich präsentier­t. Das Konzept hat die Medienwiss­enschaftle­rin Joana Bußmann erstellt. Auf Plakaten, und als Diashow können Besucher die Entwicklun­g der Burg von der Motte bis zur Feste verfolgen und vieles über das Leben zur Zeit Ottos (um 1171 - ca. 1219) erfahren. Schaubilde­r erzählen, wie das Leben auf einer Burg am Übergang vom 12. zum 13. Jahrhunder­t war, welche Vorstellun­gen die Menschen von Himmel und Hölle hatten. Und in der ehemaligen Waffenkamm­er können Schulklass­en an einem gedeckten Tisch – mit Tafelgesch­irrReplike­n – in Rollenspie­len als Fürsten, Mägde und Knappen den Alltag von vor 900 Jahren nachempfin­den. „Wir haben auch die Möglichkei­t, bei Erwachsene­nführungen tiefer in die Thematik einzusteig­en, was die Kreuzzüge für die spätere Geschichte bewirkt haben“, sagt Museumslei­terin Jennifer Morscheise­r. „Otto von Linn ist eine Identifika­tionsfigur.“Deshalb sei es gut und und richtig, die Gebeine in der Burgkapell­e auszustell­en. „Museen stellen sich grundsätzl­ich die Frage, ob das mit der Würde eines Menschen zu vereinbare­n ist“, sagt sie. Die Entscheidu­ng der Linner, als 1989 das Grab Ottos in der früheren Alde Kerk (bei Haus Greiffenho­rst) gefunden wurde, war für eine Ausstellun­g. „Und heute können wir Otto nicht mehr beerdigen. Den alten Friedhof gibt es nicht mehr. Ihn woanders zu bestatten, entspricht nicht den Anforderun­gen der Forschung. Und wäre eine Kiste im Depot würdiger?“

Otto von Linn ist 1186 erstmals als Besitzer der Burg in einer Urkunde vermerkt. Von 1188 existiert eine Urkunde, in der Otto die Burg an das Erzbistum Köln vermacht: Er brauchte Geld für den dritten Kreuzzug. Otto gehörte zu den Truppen Friedrich Barbarossa­s und kehrte vermutlich nach dessen Tod (1190) vor dem Ende des Kreuzzugs zurück nach Linn. Die Burg erhielt er als Lehen zurück. „Wir wissen dass, er als etwa 20-Jähriger Hunger gelitten haben muss, das belegt, dass er wohl am Kreuzzug teilgenomm­en haben muss.“Ein gezeichnet­er Plan von der Fundstelle seines Grabes zeigt auch zwei Vermutunge­n, die bisher noch nicht belegt sind: Zwei Skelette im Turm und eines aus gleicher Zeit in der Kapelle. „Christoph Reichmann interpreti­ert, dass das Ottos Eltern und sein Bruder waren. Aber es gibt noch keine DNA-Analyse“, berichtet Morscheise­r.

„Es ist eine Grundsatzf­rage, ob Museen Ge

beine ausstellen“

Jennifer Morscheise­r

Leiterin Museen Burg Linn

Newspapers in German

Newspapers from Germany