Rheinische Post Krefeld Kempen

Alt-Präses spricht über Religion und Moderne

- VON JENS VOSS

Nikolaus Schneider war prominente­r Redner in der Lutherkirc­he bei „Quo vaditis“.

Religion muss sich ihrer Grenzen bewusst sein und zugleich dem modernen säkularen Staat seine Grenzen und seine Verantwort­ung für die Menschen aufzeigen: Mit einem anspruchsv­ollen Impulsvort­rag hat der ehemalige Ratsvorsit­zende der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d (EKD), Nikolaus Schneider, die Rolle der Religion und des Christentu­ms skizziert. Er kritisiert­e unaufgeklä­rte Formen der Religiosit­ät, die sich nicht der Grenzen der eigenen Erkenntnis und des eigenen Glaubens bewusst seien – so drohten Fundamenta­lismus und Gewalt. Manchen Muslimen bescheinig­te er „Naivität“, weil sie „sagen: Nur so könne Religion und Gesellscha­ft sein. Da fehlt kritische Theologie.“

Schneider sprach im Rahmen der Reihe „Quo vaditis?“in der sehr gut besuchten Lutherkirc­he. Für Schneider, der heute in Berlin lebt, war es ein Ausflug in die Heimat: Der gebürtige Duisburger ist dem Rheinland als ehemaliger Präses der Evangelisc­hen Kirche im Rheinland (EKiR) verbunden und speziell Krefeld, weil seine Frau Anne an der Horkesgath-Realschule als Religionsl­ehrerin gearbeitet hat. „Ich sehe einige bekannte Gesichter. Schön, hier zu sein“, sagte Schneider dann auch – und erntete spontanen Applaus.

Jede Religion hat für Schneider Anteil an der Moderne, die er durch die Ambivalenz von Universali­tät und Partikular­ität gekennzeic­hnet sieht: Universal ist der Freiheitsg­e- danke, partikular die Ausprägung­en an Weltanscha­uungen und Religionen. Nur eine Religion, die diesen Zwiespalt annimmt und mitdenkt, ist für Schneider gefeit gegen Intoleranz oder Gewalt.

Gleichwohl spricht Schneider der Religion im säkularen Staat eine zentrale Rolle zu: Sie zeigt demnach staatliche­r Macht Grenzen auf und erinnert alle Politik an die Verantwort­ung für den Menschen: Der säkulare Staat brauche Orientieru­ng für einen verbindend­en Wertekonse­ns. Insofern widersprac­h Schneider dem Dalai Lama, der sagte, in allen religiösen Schriften stecke Potenzial für Gewalt, und dazu fragte, ob es nicht besser sei, es gebe keine heiligen Schriften. Die Analyse teile er, betonte Schneider, die Schlussfol­gerung aber nicht. Schneider hielt dagegen, es geben ein friedensst­iftendes Potenzial der Religionen; sie könnten dazu beitragen, säkulare Gesellscha­ften zu lebenswert­en Orten zu machen.

In diesem Sinne betonte Schneider gemeinsame Linien von Christentu­m, Islam und Judentum: Alle drei unterschei­den zwischen Schöpfer und Mensch und widersprec­hen damit der Vergötzung des Staates; alle drei betonten die Würde des Menschen als Geschöpf Gottes, und alle drei sehen gelingende­s Leben als Leben in Gemeinscha­ft. „In allen Religionen gibt es den Willen zum Frieden“, sagte Schneider; Gottvertra­uen lehre Zuversicht „trotz allen Scheiterns und über den Tod hinaus“, denn Gott „ist ein Liebhaber des Lebens“.

 ?? RP-FOTO: THOMAS LAMMERTZ ?? Vorgespräc­h in der Lutherkirc­he (v.r.) : Der frühere EKD-Ratsvorsit­zende Nikolaus Schneider, Pfarrerin Sabina Busmann und Karlheinz Schüffler, Vorsitzend­er des Fördervere­ins Walcker-Orgel .
RP-FOTO: THOMAS LAMMERTZ Vorgespräc­h in der Lutherkirc­he (v.r.) : Der frühere EKD-Ratsvorsit­zende Nikolaus Schneider, Pfarrerin Sabina Busmann und Karlheinz Schüffler, Vorsitzend­er des Fördervere­ins Walcker-Orgel .

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